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Va­ga­bun­den und Stu­ben­ho­cker: Ni­schen bak­te­ri­el­len Le­bens auf dem Mee­res­bo­den

11.10.2024

Die bakteriellen Bewohner des sandigen Meeresbodens haben sich ordentlich eingerichtet. Einige genießen das bunte Treiben im Porenwasser zwischen den Sandkörnern und sind darauf spezialisiert, das frische organische Material, das mit dem Meerwasser durch das Sediment gespült wird, zu nutzen. Die meisten Bakterien aber leben eher zurückgezogen. Sie haften fest an den Sandkörnern und ducken sich in Risse und Vertiefungen auf deren Oberfläche, auch wenn das mehr Konkurrenz um Ressourcen oder ein stetes Resteessen bedeuten kann. Eine Studie von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie, die jetzt im ISME Journal veröffentlicht wurde, beschreibt diese Nischentrennung in bakteriellen Gemeinschaften im Sediment und beleuchtet, was das ökologisch bedeutet.

Die Bremer Forschenden beproben im Frühjahr 2023 den Isfjorden auf der Inselgruppe Svalbard in der Arktis. (© Fanni Aspetsberger/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)
Die Bremer Forschenden beproben im Frühjahr 2023 den Isfjorden auf der Inselgruppe Svalbard in der Arktis. (© Fanni Aspetsberger/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)

San­di­ger Mee­res­bo­den, so­ge­nann­tes per­me­ab­les Se­di­ment, be­deckt min­des­tens die Hälf­te der Kon­ti­nen­tal­rän­der und ist ein sehr ef­fi­zi­en­ter öko­lo­gi­scher Fil­ter: Meer­was­ser spült durch ihn hin­durch und trans­por­tiert da­bei Sau­er­stoff und al­ler­lei Nähr­stof­fe. Die Bak­te­ri­en im Se­di­ment nut­zen die­sen Ein­trag. Vie­les von dem, was mit dem Meer­was­ser in den Mee­res­bo­den ge­langt, wird in an­de­re For­men um­ge­wan­delt und teil­wei­se für Jahr­tau­sen­de ver­gra­ben. „Die­se Fil­ter­funk­ti­on macht san­di­ge Se­di­men­te zu ei­nem hoch­in­ter­es­san­ten und wich­ti­gen For­schungs­the­ma“, sagt Chy­re­ne Mon­ca­da vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, Er­st­au­to­rin der ak­tu­el­len Stu­die. „Wir woll­ten her­aus­fin­den, wie die bak­te­ri­el­le Ge­mein­schaft in die­sen Se­di­men­ten struk­tu­riert ist.“

Dazu reis­ten die Bre­mer For­schen­den auf die ark­ti­sche In­sel­grup­pe Spitz­ber­gen und sam­mel­ten im dor­ti­gen Is­fjor­den san­di­ge Se­di­men­te mit­hil­fe des ei­gens ent­wi­ckel­ten Ellrott-Greifers. Die­ser er­mög­licht es, Pro­ben aus san­di­gen Se­di­men­ten zu neh­men, ohne die­se da­bei durch­ein­an­der­zu­brin­gen. Die For­schen­den nutz­ten nur die sau­er­stoff­rei­chen, obers­ten zwei Zen­ti­me­ter des Se­di­ments und trenn­ten es in drei Tei­le: „Zu­erst ent­nah­men wir das Po­ren­was­ser, dann schüt­tel­ten wir die lose an­haf­ten­den Bak­te­ri­en von den Kör­nern ab. Der Rest war un­se­re Frak­ti­on mit fest­sit­zen­den Bak­te­ri­en“, er­klärt Mon­ca­da. „Mit ei­ner Viel­zahl von Me­tho­den un­ter­such­ten wir dann die Zell­zah­len, die Zu­sam­men­set­zung der Ge­mein­schaft, die Stoff­wech­sel­mög­lich­kei­ten und die Ak­ti­vi­tä­ten in die­sen Grup­pen.“

Reich­hal­ti­ges Trei­ben im Po­ren­was­ser, die vie­len Stu­ben­ho­cker le­ben von den Res­ten

In ih­rer Stu­die zei­gen die Max-Planck-For­schen­den die kla­re Struk­tur in der räum­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on von Bak­te­ri­en­ge­mein­schaf­ten in Ober­flä­chen­s­edi­men­ten. Ab­hän­gig­keit von ih­rer Mi­kro-Um­ge­bung do­mi­nie­ren un­ter­schied­li­che Taxa und Le­bens­wei­sen. Die ein­zel­nen Bak­te­ri­en­grup­pen ha­ben da­bei je­weils un­ter­schied­li­che Rol­len und Bei­trä­ge zur Ver­ar­bei­tung or­ga­ni­schen Ma­te­ri­als im Öko­sys­tem.

„Die ein­zel­nen Frak­tio­nen un­ter­schie­den sich deut­lich“, sagt Kat­rin Knit­tel, Pro­jekt­lei­te­rin am Max-Planck-In­sti­tut in Bre­men und kor­re­spon­die­ren­de Au­to­rin der Stu­die. Bak­te­ri­en, die im Po­ren­was­ser leb­ten oder lose an den Kör­nern haf­te­ten, wa­ren meist auf das Vor­han­den­sein von Sau­er­stoff an­ge­wie­sen und dar­auf spe­zia­li­siert, fri­sches or­ga­ni­sches Ma­te­ri­al zu nut­zen. „Die­se Bak­te­ri­en sind es ge­wöhnt, ste­tig mit Sau­er­stoff und fri­scher Nah­rung aus dem um­ge­ben­den Meer­was­ser ver­sorgt zu wer­den“, so Knit­tel wei­ter. „Sie sind gut ge­rüs­tet, um das kom­ple­xe Ma­te­ri­al, das ih­nen zu­ge­führt wird, zu zer­klei­nern. Sie sind ak­tiv und wach­sen schnell.“

Chyrene Moncada holt den am Bremer Max-Planck-Institut entwickelten Ellrott-Greifer ein. Das kleine und leichte Gerät kann gut an Bord kleiner Schiffe, wie der MS Farm, eingesetzt werden. (© Fanni Aspetsberger/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)
Chyrene Moncada holt den am Bremer Max-Planck-Institut entwickelten Ellrott-Greifer ein. Das kleine und leichte Gerät kann gut an Bord kleiner Schiffe, wie der MS Farm, eingesetzt werden. (© Fanni Aspetsberger/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)

Die fest­sit­zen­den Bak­te­ri­en ha­ben an­de­re Be­dürf­nis­se. Die For­schen­den ver­mu­ten, dass sich die Bak­te­ri­en die­ser Frak­ti­on in Ris­sen und Spal­ten ein­nis­ten und sich in Mul­den und Ver­tie­fun­gen du­cken. Dort sind sie vor der Strö­mung und rei­ben­den Sand­kör­nern ge­schützt und auch schwer zu er­rei­chen für Fress­fein­de, die die Ober­flä­che der Sand­kör­ner nach Nah­rung ab­su­chen. Dies könn­te er­klä­ren, war­um sie viel zahl­rei­cher sind als ihre um­her­strei­fen­den Art­ge­nos­sen: Fast 90 Pro­zent der Bak­te­ri­en im un­ter­such­ten Se­di­ment wa­ren fest an­ge­hef­tet. „Al­ler­dings hat die­ser si­che­re Le­bens­ort sei­nen Preis“, er­klärt Knit­tel. „Un­se­re Da­ten las­sen ver­mu­ten, dass sich die­se Bak­te­ri­en mit den Es­sens­res­ten der frei­le­ben­den und lose an­haf­ten­den Bak­te­ri­en be­gnü­gen müs­sen. Au­ßer­dem kön­nen in ih­rem be­eng­ten Um­feld Sau­er­stoff und an­de­re Res­sour­cen knapp wer­den, was ihr Wachs­tum und ihre Ak­ti­vi­tät ein­schrän­ken könn­te.“

Un­ter­schied­li­che Rol­len im öko­lo­gi­schen Kon­text

„Dies ist ein wirk­lich fas­zi­nie­ren­der Ein­blick in die in­ne­ren Ab­läu­fe die­ses Öko­sys­tems: Wir ver­ste­hen jetzt bes­ser, wie Bak­te­ri­en in Ober­flä­chen­s­edi­men­ten zum Ab­bau und Re­cy­cling von or­ga­ni­schem Ma­te­ri­al bei­tra­gen. Ob­wohl die Prot­ago­nis­ten so win­zig sind, kann dies glo­ba­le Aus­wir­kun­gen ha­ben, weil die­se Se­di­men­te welt­weit so gro­ße Flä­chen be­de­cken. „Es be­ein­flusst letzt­lich, wie­viel or­ga­ni­sches Ma­te­ri­al ver­gra­ben wird und wie­viel Koh­len­di­oxid wie­der in das dar­über­lie­gen­de Was­ser und da­mit in die At­mo­sphä­re ab­ge­ge­ben wird“, sagt Mon­ca­da.

Ori­gi­nal­ver­öf­fent­li­chung

Chy­re­ne Mon­ca­da, Ca­rol Ar­nos­ti, Jan D. Brüwer, Dirk de Beer, Ru­dolf Amann, Kat­rin Knit­tel (2024): Ni­che se­pa­ra­ti­on in bac­te­ri­al com­mu­nities and ac­tivi­ties in po­re­wa­ter, loo­se­ly at­ta­ched, and firm­ly at­ta­ched frac­tions in per­me­able sur­face se­di­ments. The ISME Jour­nal, 2024, 18(1), wra­e159.

DOI: https://doi.org/10.1093/ismejo/wrae159

Be­tei­lig­te In­sti­tu­tio­nen

Ab­tei­lung Mo­le­ku­la­re Öko­lo­gie, Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, 28359 Bre­men, Deutsch­land

De­part­ment of Earth, Ma­ri­ne, and En­vi­ron­men­tal Sci­en­ces, Uni­ver­si­tät von North Ca­ro­li­na in Cha­pel Hill, Cha­pel Hill, NC 27599, Ver­ei­nig­te Staa­ten

Kon­takt

Projektleiterin

Abteilung Molekulare Ökologie

Dr. Katrin Knittel

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

2222

Telefon: 

+49 421 2028-9990

Dr. Katrin Knittel

PhD student

Abteilung Molekulare Ökologie

Chyrene Moncada

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

3245

Telefon: 

+49 421 2028-9550

Chyrene Moncada

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
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