Chemostaten

Einer der Bioreaktoren, die von der Forschungsgruppe für mikrobielle Physiologie verwendet werden. Hier wachsen die Mikroben auf Stickstoffoxid (NO). (© Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Boran Kartal)
Einer der Bioreaktoren, die von der Forschungsgruppe für mikrobielle Physiologie verwendet werden. Hier wachsen die Mikroben auf Stickstoffoxid (NO). (© Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Boran Kartal)

Was ist kontinuierliche Kultivation?

Die meisten Mikroorganismen leben unter Substrateinschränkung, da die Versorgung mit ihren Substraten von anderen Organismen oder physikochemischen Eigenschaften ihrer Umgebung abhängt. Bei herkömmlichen mikrobiologischen Ansätzen werden den Proben ein oder mehrere Substrate im Überschuss zugeführt, wodurch die am schnellsten wachsende Spezies zur Kultur gebracht wird. Dies spiegelt allerdings nicht wider, was in der Umgebung passiert.

In der Forschungsgruppe für mikrobielle Physiologie verwenden wir darum Bioreaktoren mit kontinuierlicher Kultivierung, die die Umgebungen, in denen Mikroorganismen leben, genau nachahmen - im Labor, unter kontrollierten Bedingungen. Das erlaubt uns, umweltrelevante Mikroorganismen zu kultivieren, um ihre physiologischen und biochemischen Eigenschaften im molekularen Detail zu untersuchen.

In unserem Labor verwenden wir Chemostate und andere Arten von kontinuierlichen Kultivierungstechniken. In einem Chemostat wird dem Kulturgefäß kontinuierlich frisches Nährmedium zugeführt, während ein entsprechendes Volumen an Kulturflüssigkeit im gleichen Maße entnommen wird.

Wie funktioniert ein Chemostat?

Ein Chemostat besteht gewöhnlich aus einem geschlossenen (Glas-)Gefäß mit einem Volumen zwischen 1 Milliliter und einigen Litern. Mit einer Zulaufpumpe wird kontinuierlich frisches Medium zugeführt. Eine zweite Pumpe entnimmt im gleichen Maße Flüssigkeit aus dem Behälter. Auf diese Weise wird ein konstantes Volumen beibehalten.

Die in das Gefäß eingebrachten Mikroorganismen können nur das Nährmedium verbrauchen, das von der Zulaufpumpe zugeführt wird. Ihre Wachstumsrate (pro Stunde) wird durch das Verhältnis der Zuflussrate (Liter oder Milliliter pro Stunde) und dem Behältervolumen (L) festgelegt. Dieser Zustand kann auf unbestimmte Zeit beibehalten werden. Eines der Substrate und Wachstumsfaktoren, die dem Medium zugesetzt werden, ist das sogenannte Kontrollsubstrat, das das Wachstum begrenzt. Die anderen sind im Überschuss vorhanden.

Durch die Konzentration des Kontrollsubstrats wird die Konzentration der Zellen im Gefäß und im Ablauf bestimmt. In den meisten Fällen dient die Energie- oder Kohlenstoffquelle als Kontrollsubstrat, sie kann aber je nach Forschungsfrage angepasst werden. Darüber hinaus können Parameter wie pH-Wert, Temperatur und Durchmischung einfach und genau kontrolliert und manipuliert werden.

Chemostaten im Einsatz

Die Forschungsgruppe für mikrobielle Physiologie verwendet eine Vielzahl von Bioreaktor-Aufbauten, um unterschiedliche Forschungsfragen zu beantworten (von links nach rechts, von oben nach unten): Sandreaktor, Fed-Batch-Reaktor, Annamox-Chemostat, Reihe von Chemostaten. (© Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Boran Kartal)
Die Forschungsgruppe für mikrobielle Physiologie verwendet eine Vielzahl von Bioreaktor-Aufbauten, um unterschiedliche Forschungsfragen zu beantworten (von links nach rechts, von oben nach unten): Sandreaktor, Fed-Batch-Reaktor, Annamox-Chemostat, Reihe von Chemostaten. (© Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Boran Kartal)

Ein Chemostat ist ein hervorragendes Instrument zur Kultivierung von Mikroorganismen, da die Bedingungen im Vergleich zu Batch-Kulturen (zum Beispiel Schüttelkolben) festgelegt und konstant sind. Dadurch lassen sich Experimente leichter reproduzieren. Darüber hinaus erzeugt dieser Aufbau einen kontinuierlichen Fluss an mikrobieller Kultur (ähnlich wie Ihr Wasserhahn einen kontinuierlichen Fluss an sauberem Wasser erzeugt), die bequem für weitere Experimente entnommen werden kann.

Der Chemostat kann sowohl für Reinkulturen zur Untersuchung der Kinetik des mikrobiellen Wachstums als auch für detailliertere Omics-Ansätze verwendet werden. Er kann auch für Wettbewerbsexperimente verwendet werden. In solchen Experimenten werden zwei oder drei verschiedene Mikroorganismen mit vergleichbaren Nischen unter variierenden Bedingungen im Gefäß freigesetzt: bei hohen oder niedrigen Wachstumsraten, bei hohen oder niedrigen Sauerstoffkonzentrationen, bei unterschiedlichen pH- oder Temperaturwerten, mit oder ohne Wachstumsfaktoren usw.

Es gibt verschiedene Arten von Chemostataufbauten, die es ermöglichen, unterschiedliche Forschungsfragen zu stellen und auf unterschiedliche Organismen abzuzielen. Einige Mikroorganismen bevorzugen beispielsweise das Wachstum als Biofilm oder Biofilmaggregate. Auf diese Vorlieben kann zum Beispiel durch eine Vergrößerung der Oberfläche des Bioreaktors, an der sich die Mikroorganismen anlagern können, oder durch das Hinzufügen einer Absetzeinheit eingegangen werden. Langsam wachsende Mikroorganismen können in Chemostaten mit Hilfe von Membranfiltern zurückgehalten werden, die die Mikroorganismen im Bioreaktor halten, während sie das verbrauchte Medium durchlassen (sogenannte Retentostate).

Um Mikroorganismen direkt aus sandigen Sedimenten zu züchten, können wir zylindrische Kerne verwenden, die mit präzisen Pumpeinheiten ausgestattet sind. Hier geht ein Teil der Kontrolle über die Anreicherungskultur verloren, da sich überall im (sandigen) Sedimentkern Mikronischen bilden können.

Projektbeispiele

Treibhausgasminderung durch fortschrittliche Technologie zur Stickstoffentfernung - GREENT

Menschliche Aktivitäten haben schwerwiegende Auswirkungen auf den biologischen Kohlenstoff- und Stickstoffkreislauf, die wichtigsten Folgen davon sind die globale Erwärmung und die Wasserverschmutzung. Die Technologie der Abwasserreinigung, insbesondere die Systeme zur Stickstoffentfernung, hat sich im letzten Jahrzehnt erheblich verbessert. Der Einsatz von anaeroben ammoniumoxidierenden (Anammox) Bakterien in sauerstoffbegrenzten Granulaten hat das Potenzial, Kläranlagen zu energieeffizienten Systemen mit minimalen Treibhausgasemissionen zu verwandeln.

Vor kurzem wurden Mikroorganismen entdeckt, die die anaerobe Oxidation von Methan mit der Denitrifikation koppeln. Eine innovative Integration dieser Mikroorganismen in bestimmte Systeme zur Abwasserbehandlung bietet eine elegante und effiziente Lösung zur Bekämpfung von Treibhausgasemissionen aus Kläranlagen. Ziel des GREENT-Projekts ist es, die Stickstoffoxidemissionen aus Teilnitritations-Anammox-Bioreaktoren und die dafür maßgeblichen Parameter zu bestimmen und die verantwortlichen Pfade im molekularen Detail zu untersuchen. Außerdem wird die Machbarkeit eines innovativen Bioreaktors untersucht, der Ammonium und Methan gleichzeitig durch Anammox und anaerobe methanoxidierende Mikroorganismen entfernt.

https://www.mpi-bremen.de/ERC-Project-GREENT.html

Lan­ge ge­sucht, end­lich ge­fun­den: Die rost­fres­sen­de Mi­kro­be

Schon lange hegten Mikrobiologen den Verdacht, dass es diesen kleinen Gesellen geben muss. Doch gefunden haben sie ihn nicht – bis jetzt: Die Mikrobe, die sowohl Methan als auch Eisen “frisst”. Forscher vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und der niederländischen Radboud Universität haben nun einen Mikroorganismus entdeckt, der die Reduktion von Eisen mit der Oxidation von Methan verbindet. Er könnte dadurch eine bedeutende Rolle für die weltweiten Emissionen dieses starken Treibhausgases spielen.

Zur Pressemitteilung

Einer der Bioreaktoren, in denen Kartal und seine Kollegen die rostfressenden Mikroben fanden. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, B. Kartal)
Einer der Bioreaktoren, in denen Kartal und seine Kollegen die rostfressenden Mikroben fanden. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, B. Kartal)

Mi­kro­ben kön­nen auf Stick­stoff­mon­oxid (NO) wach­sen

Stickstoffmonoxid (NO) ist ein zentrales Molekül im Kreislauf des Elements Stickstoff auf der Erde. Eine ForscherInnengruppe um Boran Kartal vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen konnte nun nachweisen, dass manche Mikroorganismen NO nutzen, um zu wachsen – und zwar bei Konzentrationen, die für alle anderen Lebewesen tödlich wären. Das wirft ein neues Licht auf den Stickstoffkreislauf und darauf, wie Mikroorganismen die Freisetzung von Treibhausgasen beeinflussen.

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Kuenenia stuttgartiensis, hier unter einem Transmissionselektronenmikroskop zu sehen, ist ein sogenannter Anammox- Modell-Mikroorganismus, der in Form einzelner Zellen wächst. Die Art kommt in Süßwasser, auch in Kläranlagen, vor. © Laura van Niftrik
Kuenenia stuttgartiensis, hier unter einem Transmissionselektronenmikroskop zu sehen, ist ein sogenannter Anammox- Modell-Mikroorganismus, der in Form einzelner Zellen wächst. Die Art kommt in Süßwasser, auch in Kläranlagen, vor. © Laura van Niftrik

Ent­de­ckung ei­nes un­ge­wöhn­li­chen Pro­te­ins

Wissenschaftler aus Bremen entdeckten ein ungewöhnliches Protein, das eine bedeutende Rolle im Stickstoffkreislauf der Erde spielt. Das neue Zytochrom, das eine Häm-Gruppe enthält, ist am Anammox-Prozess beteiligt: Dieser produziert rund die Hälfte des Stickstoffs der Atmosphäre und ist wichtig für die Regulierung von Treibhausgasen.

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Einer der Bioreaktoren, mit denen Kartal und sein Team Zellen von K. stuttgartiensis im Labor wachsen ließen. Anammox-Bakterien sind mit diesen Proteinen voll gepackt. Dazu gehören auch die Enzyme, die wichtige Reaktionen des Anammox-Prozesses durchführen und die Zellen auffällig rot färben. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, B. Kartal)
Einer der Bioreaktoren, mit denen Kartal und sein Team Zellen von K. stuttgartiensis im Labor wachsen ließen. Anammox-Bakterien sind mit diesen Proteinen voll gepackt. Dazu gehören auch die Enzyme, die wichtige Reaktionen des Anammox-Prozesses durchführen und die Zellen auffällig rot färben. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, B. Kartal)

Kontakt

Gruppenleiter

Forschungsgruppe Mikrobielle Physiologie

Dr. Boran Kartal

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

3126

Telefon: 

+49 421 2028-6450

Dr. Boran Kartal
 
 
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