Benthische Kammern

Benthische Kammern. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, V. Carvalho)
Ungefähr so groß wie ein Einkaufswagen: Die Benthischen Kammern an Bord eines Forschungsschiffes. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, V. Carvalho)

Was ist eine Benthische Kammer?

Der Begriff „Benthisch“ stammt von dem altgriechischen Wort „Benthos“, das die Bodenzone eines Gewässers bezeichnet. Die Bodenzone bildet im Meer (und allen anderen Gewässern) die Grenze zwischen zwei sehr wichtigen Bereichen: Dem Wasser und dem Sediment. Auch wenn diese beiden Bereiche sehr unterschiedlich sind, müssen sie zusammen betrachtet werden, um das heterogene Ökosystem im Ozean zu verstehen. So ist der Meeresboden als Nahtstelle zwischen Boden und Wasser eine der wichtigsten Übergangsbereiche für den Austausch gelöster Substanzen, zum Beispiel von Nährstoffen genauso wie von Sauerstoff oder Methan.

Eine Benthische Kammer ermöglicht vor Ort am Meeresboden die Messungen der Austauschraten dieser Stoffe zwischen dem Boden und der Wassersäule. Gemessen wird im Raum (also welche Stoffe gehen in welcher Menge wohin) sowie die Dauer (wie lange dauert der Austauschprozess). Diese Messungen umfassen alle relevanten Transportprozesse gelöster Stoffe wie Diffusion, Advektion und den Transport, der über Tiere läuft. 

Wie funktioniert eine Benthische Kammer?

Anhaufnahme einer Benthischen Kammer (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, V. Carvalho)
Nahaufnahme einer Benthischen Kammer. Links ist das Spritzensystem zu sehen, rechts zwei Titanzylinder und unten die Inkubationskammer. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, V. Carvalho)

Unsere Benthischen Kammern bestehen aus einem festen Rahmen, an dem folgende Geräte befestigt sind: ein bis zwei Titan-Zylinder, eine runde Kammer aus Plexiglas und ein Probennehmer mit fünf Spritzen sowie eine Injektionsvorrichtung. Der oder die Titan-Zylinder beinhalten die Elektronik, einen Computer zur Datensammlung, die Kontrollvorrichtung für die Spritzen und zwei Sensoren-Verstärker.

Die Daten werden dann in situ – also direkt am Meeresboden – erhoben. Autonome Unterwasserfahrzeuge transportieren die Benthischen Kammern an den vorgesehenen Ort zur Probenentnahme. Anschließend wird die Kammer ein Stück weit in den Meeresboden eingefahren, bis sie einerseits mit Sediment und andererseits mit Bodenwasser gefüllt ist. Ein Einwegventil am Deckel der Kammer setzt den Wasserüberschuss frei, der durch das Einsetzen der Kammer ins Sediment verursacht wird, so dass das Gerät möglich sanft platziert wird. Der Beginn der Messungen erfolgt, wenn sich die Sedimentwolken, die durch das Einsetzen der Geräte verursacht werden, gelegt haben und alles wieder ruhig ist.

Im Folgenden werden die Änderungen der Konzentrationen der gelösten Stoffe in Sediment und Wasser ständig gemessen, um so einen Zeitverlauf zu erhalten. Die Spritzen am Gerät ermöglichen es, den Austausch bestimmter gelöster Stoffe zu verfolgen, etwa von Sauerstoff oder Methan. Dafür werden mit den Spritzen Wasserproben aus dem umliegenden Wasser genommen und über Schläuche und die Injektionsvorrichtung in die Kammer geleitet. In der Kammer können die Konzentrationen von chemischen Elementen genauso wie der pH-Wert kontinuierlich gemessen werden. Möglich machen dies Sensoren, die am Deckel der Kammer angebracht sind. Der Anteil anderer Bestandteile, wie Nährstoffe, wird durch wiederholtes Messen innerhalb eines definierten Zeitabschnitts im eingeschlossenen Wasser erhoben. Diese Proben und Sensormesswerte, die während der Inkubationsperiode aufgenommen wurden, ermöglichen die Bewertung der Gesamtflüsse und der Transportraten zwischen Boden und Wasser.

Die Benthische Kammer im Einsatz

Die Benthischen Kammern werden zum Beispiel eingesetzt in dem JPIO Projekt MiningImpact2 „Umweltauswirkungen und Risiken des Tiefseebergbaus“ sowie im Projekt BENTHIMPACT „Auswirkungen von Manganknollen-Abbau auf benthische Megafauna- und Mikroorganismen-Gemeinschaften und ihre Funktionen“.

Im Rah­men die­ser For­schungs­pro­jek­te reis­en Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler unter anderem immer wieder in das so ge­nann­te DIS­COL-Ge­biet im tro­pi­schen Ost­pa­zi­fik, etwa 3000 Ki­lo­me­ter vor der Küs­te Pe­rus. Dort hat­ten im Jahr 1989 deut­sche For­schen­de in ei­nem Man­gank­nol­len­ge­biet in 4000 Me­tern Was­ser­tie­fe den Mee­res­bo­den auf ei­ner Flä­che mit gut drei­ein­halb Ki­lo­me­tern Durch­mes­ser mit ei­ner Egge um­ge­pflügt, um ei­nen Ab­bau zu si­mu­lie­ren. Auf ei­ner Aus­fahrt im Jahr 2015 (Expedition SO242) wur­de zum Bei­spiel un­ter­sucht, ob und wie sich die Häu­fig­keit, Diversität und Dichte von Mi­kro­or­ga­nis­men in dem Ge­biet nach­hal­tig ver­än­dert hat. Au­ßer­dem stand im Fo­kus, was die Stö­rung lang­fris­tig für den Koh­len­stoff­kreis­lauf und das Nah­rungs­netz die­ses Le­bens­raums be­deu­tet. Die Benthischen Kammern kamen im Rah­men die­ser Un­ter­su­chun­gen zum Ein­satz und lie­fer­ten wert­vol­le geochemische Da­ten. So konn­te zum Bei­spiel ge­zeigt wer­den, dass sich die bio­geo­che­mi­schen Be­din­gun­gen in dem DISCOL-Ge­biet auch immer noch nach 26 Jahren nach­hal­tig ver­än­dert hat­.

Eine weitere Ausfahrt in das DISCOL-Gebiet fand 2018 statt. Auch da war der Mikroprofiler wieder mit an Bord. Außerdem reiste das Gerät 2019 mit in die Clarion-Clipperton Zone im Ostpazifik, wo es auch 2021 wieder zum Einsatz kommen soll.

 

Ergebnisse der Expedition SO242 sind hier nachzulesen:

  • Vonnahme T.R., Molari M., Janssen F., Wenzhöfer F., Ha­eckel M., Tit­schack T., Boetius A. (2020) Ef­fects of a deep-sea mi­ning ex­pe­ri­ment on seaf­loor mi­cro­bi­al com­mu­nities and func­tions af­ter 26 ye­ars. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.aaz5922 
  • Da­niëlle S.W. de Jon­ge, Tan­ja Strat­mann, Li­dia Lins, Ann Van­reu­sel, Au­tun Purser, Yann Mar­con, Cla­ra F. Ro­d­ri­gues, As­cen­são Ra­va­ra, Pa­tri­cia Es­que­te, Ma­ri­na R. Cun­ha, Erik Si­mon-Lle­dó, Pe­ter van Breu­gel, An­d­rew K. Sweet­man, Kar­li­ne So­e­ta­ert, Dick van Oeve­len (2020): Abys­sal food-web mo­del in­di­ca­tes fau­nal car­bon flow re­co­very and im­pai­red mi­cro­bi­al loop 26 ye­ars af­ter a se­di­ment dis­tur­ban­ce ex­pe­ri­ment, Pro­gress in Ocea­no­gra­phy, Oc­to­ber 2020. DOI: 10.1016/j.pocean.2020.102446

 

Oder auch in Pressemitteilungen:

Benthische Kammer (© ROV-Team/GEOMAR)
Eine unserer Benthischen Kammer am Meeresboden im Rahmen des Projekts MiningImpact2. (© ROV-Team/GEOMAR)

Technische Details

Maße der zentralen Kammer: Durchmesser von 19 Zentimeter, Höhe zehn bis 20 Zentimeter, umschließt eine Fläche von 284 cm2 mit Bodenwasser

Fassungsvermögen: Vier bis sechs Liter

Elektrochemische Sensoren: Sauerstoff (O2), Schwefelwasserstoff (H2S), pH-Wert

Optischer Sensor: Sauerstoff (O2)

Spritzenproben: Fünf Spritzen mit 50 Milliliter Volumen

Einsatzdauer: maximal 34 Stunden mit einer Tiefseebatterie mit kleiner Kapazität

Einsatztiefe: bis 6.000 Meter

Nutzerinnen und Nutzer

Eingesetzt werden die Benthischen Kammern hauptsächlich von der HGF-MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und -Technologie.  

Kontakt

Wissenschaftler

HGF MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und -Technologie

Dr. Frank Wenzhöfer

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1337

Telefon: 

+49 421 2028-8620

Dr. Frank Wenzhöfer

Wissenschaftler

HGF MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und -Technologie

Dr. Felix Janßen

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1338

Telefon: 

+49 421 2028-8610

Dr. Felix Janßen
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