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News article (2000)

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Jan 1, 2000

Schlüssel zum Rätsel um den Abbau von Methan ohne Sauerstoff

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Seit mehr als 30 Jahren versuchen Wissenschaftler weltweit einen Mikroorganismus zu finden, der Methan ohne Sauerstoff veratmen kann. Methan (chemische Summenformel: CH4) ist ein wichtiges Treibhausgas und entsteht in großen Mengen an Land (vor allem in Reisfeldern und Kuhmägen) sowie im Meer (tief unter dem Meeresboden). An Land wird Methan von Bakterien mit Sauerstoff zu Kohlendioxid umgesetzt. In marinen Sedimenten verschwindet ein Großteil des Methans auch ohne Sauerstoff (anaerob). Hier dient Sulfat, das in großen Mengen im Meerwasser vorkommt, als Oxidant. Dieser Prozess kann geochemisch nachgewiesen werden und spielt vor allem im Bereich der Schelfmeere und Kontinentalhänge eine große Rolle für den Methankreislauf. Es ist sicher, daß Mikroorganismen an dieser Reaktion beteiligt sind, bisher gab es allerdings noch keine Möglichkeit diese zu identifizieren.
Besonders wichtig wurde uns die Frage: "Wer frißt das Methan in anaeroben Sedimenten?" als wir auf Einladung des GEOMAR Forschungszentrum für marine Geowissenschaften in Kiel im August 1999 an einer Expedition mit dem Forschungsschiff SONNE zum Kontinentalhang vor Oregon (USA) teilnehmen konnten. Das Forschungsprogramm TECFLUX des GEOMAR beschäftigt sich mit dem dortigen Vorkommen an Gashydraten und untersucht die Prozesse der Bildung, Verteilung und Zersetzung des Ñbrennenden Eises" aus Methan. Am Hydratrücken, unserem Untersuchungsort, wird ständig eine große Menge an Methan aus den zerfallenden Gashydraten freigesetzt. Überall dort, wo solche Methanquellen zu finden sind, ist der Meeresboden besiedelt mit chemosynthethischen Lebensgemeinschaften: Matten aus riesigen fädigen Schwefelbakterien und Massenansammlungen einer besonderen Muschelsorte (Calyptogena), die in ihren Kiemen kleine Schwefelbakterien als Symbionten beherbergt. Diese Lebensgemeinschaften leben von dem Umsatz von Schwefelwasserstoff, warum kommen sie aber so reichlich an Methanquellen vor? Unsere Arbeitshypothese war, daß der Schwefelwasserstoff ein Produkt der Umsetzung von Methan mit Sulfat sein könnte. Erste Untersuchungen zeigten schnell, dass am Hydratrücken keine andere bedeutende Quelle für Schwefelwasserstoff vorkommt. So konnten wir das Auftreten der Bakterienmatten und der Muschelfelder am Meeresboden nicht nur als Wegweiser zu den Gashydraten benutzen, sondern auch als Anzeiger für die enorme Aktivität der bisher unbekannten anaeroben methanabbauenden Mikroorganismen.
Die Bodenproben aus den Bakterienmatten, die wir mit dem Multicorer vom Meeresboden erhalten haben, waren ein Volltreffer - die Isotopenanalyse verschiedener charakteristischer Biomassebestandteile (Biomarker) zeigte, daß hier Mikroorganismen Methan aufgenommen und umgesetzt haben mußten. Die Suche nach den methanabbauenden Bakterien konnte also beginnen. Da über 99% der marinen Bakterien bisher nicht unter Laborbedingungen kultiviert werden konnten, wählten wir einen anderen Untersuchungsweg, eine neue Methode aus der Molekularökologie: die sogenannte Fluoreszenz In Situ Hybridisierung(FISH), mit der Bakterien je nach ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen taxonomische Gruppen durch kleine Nucleinsäure-Sonden, die einen Fluoreszenzfarbstoff tragen, markiert werden können. Diese Methode hat den Vorteil, daß man sich die Bakterien als ganze Zellen im Mikroskop ansehen kann, und die Zellen auch quantifizieren kann, so wie sie in ihrer Umwelt vorkommen.

Als erstes fiel auf, daß in den methanhaltigen Sedimenten Massen von Archaebakterien auftreten, meist in Klumpen aus 100 und mehr Zellen (Bild1) .
Die Archaea gehören zu den ursprünglichsten Formen des Lebens auf der Erde und wurden bisher vor allem an extrem heißen Standorten entdeckt. Mit weiteren Markierungen entdeckten wir, daß diese Archaebakterien zu den Methanproduzierern (Methanogene) gehören, also viele der Enzyme haben sollten, um sich an Methanumsetzungen zu beteiligen. Die Isotopensignatur ihrer typischen Lipide (Archaeole) zeigte deutlich, daß sie Methan aufgenommen haben mußten. Am spannendsten war der Befund, daß diese Zellklumpen stets von sulfatreduzierenden Bakterien umwuchert sind, wie wir mit einer Doppelfärbung entdeckten (Bild2) .
Bild 1: Aggregate von Archaebakterien und sulfatreduzierenden Bakterien aus gashydrathaltigen Sedimenten vom Hydratrücken (Kontinentalhang vor Oregon, USA). Die Aggregate wurden für die Epifluoreszenz-Mikroskopie mehrfach gefärbt: 1) mit dem DNA-Fluoreszenzfarbstoff DAPI (a, c, e); 2) mit einer grün-fluoreszierenden RNA-Sonde, die gegen eine spezifische Gruppe von Sulfatreduzierern gerichtet ist sowie mit einer rot-fluoreszierenden RNA-Sonde, die gegen eine spezifische Gruppe von Archaea gerichtet ist (b,d,f). Der weiße Balken entspricht 5 Tausendstel Millimetern.
Bild 2: Eine Symbiose aus Archaebakterien (rot) und sulfatreduzierenden Bakterien (grün). Die Symbiosen bestehen aus durchschnittlich 100 Archaebakterien, die von ca. 200 Sulfatreduzierern umwachsen werden. Ihr Durchmesser beträgt durchschnittlich 2-3 Tausendstel Millimeter. Das Bild wurde mit dem Konfokalen Laser-Scanning Mikroskop aufgenommen.
Diese Aggregate aus Bakterien und Archaea kommen in den methanreichen Sedimenten des Hydratrückens mit Anzahlen von bis zu 100 Millionen pro Milliliter Schlamm vor, also mit einer enormen Biomasse für einen Tiefsee-Standort. In solchen Sedimentproben mit hohen Anzahlen von Aggregaten wird das Sulfat sehr schnell verbraucht und damit wahrscheinlich auch das Methan aus den Gashydraten.

Uns ist damit also der erste mikroskopische Nachweis einer Symbiose aus Mikroorganismen gelungen, die Methan ohne Sauerstoff abbauen können, und damit eine wichtige Rolle im Methankreislauf des Meeres übernehmen. Erst ihre enge Vergesellschaftung versetzt die sulfatreduzierenden Bakterien und Archaea in die Lage, gemeinsam aus dem Umsatz von Methan mit Sulfat Energie zu gewinnen. Dieser Prozeß verursacht die hohen Konzentrationen von Schwefelwasserstoff an Methanquellen wie dem Hydratrücken vor Oregon, daher erzeugt die Bakterien/Archaea-Symbiose auch die Grundlage für die dort vorkommenden, besonderen schwefelwasserstoff-abhängigen Lebensgemeinschaften. Diese Forschungsergebnisse wurden am 5. Oktober 2000 in der Zeitschrift Nature veröffentlicht. (Boetius, A., Ravenschlag, K., Schubert, C., Rickert, D., Widdel, F., Gieseke, A., Amann, R., Jørgensen, B.B., Witte, U., Pfannkuche, O., 2000. A marine microbial consortium apparently mediating anaerobic oxidation of methane. Nature, Vol. 407, p. 623-626).

Auch wenn wir auf einem guten Weg sind, das Rätsel um den Abbau von Methan ohne Sauerstoff im Meer zu lösen, es bleibt noch viel zu tun. Als nächstes werden wir die beiden Arten von Mikroorganismen genetisch identifizieren und auch an weiteren methanreichen Standorten nach ihnen suchen. Außerdem versuchen wir mittels verschiedener Laborexperimente die Umsetzungen des Methans durch die Symbiosen direkt nachzuweisen, und diese auch im Labor zu kultivieren. Diese Forschungsarbeiten wurden von internationalen Gutachtern dem Bundesminister für Bildung und Forschung zur Förderung im Rahmen der Gashydrat-Forschungsinitiative vorgeschlagen, wir hoffen daher, ab 2001 mit einer größeren Arbeitsgruppe die Forschungsarbeiten an den methanabbauenden Mikroorganismen fortsetzen zu können. Über unsere Fortschritte werden wir weiterhin auf dieser website informieren.
 

Rückfragen an

Prof. Dr. A. Boetius
Telefon: (0421) 2028 648

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Dr. Manfred Schlösser (Pressebeauftragter)
Telefon: (0421) 2028 704
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