Seitenpfad:

10.08.2012 Wie viel Stickstoff bindet der Ozean?

Studie in „Nature" bestätigt verbesserte Messmethode
 
Wie viel Stickstoff bindet der Ozean?
Studie in „Nature" bestätigt verbesserte Messmethode Kieler Meeresforscher


08.08.2012/Kiel. Um die Entwicklung des Klimas prognostizieren zu können, müssen Wissenschaftler wissen, welche Gase und Spurenelemente in welchen Mengen bei natürlichen Prozessen im Ozean gebunden oder in die Atmosphäre freigesetzt werden. Gerade beim Stickstoff, der elementar für den Aufbau von Biomasse ist, sind aber noch viele Fragen offen. In einer Studie, die jetzt im internationalen Fachmagazin „Nature“ erscheint, zeigen Meeresforscher aus Kiel, Bremen und Halifax, dass verbesserte Messmethoden genauere Daten liefern.

Am schönsten sind Bilanzen, wenn sie aufgehen. Doch wenn Wissenschaftler hochkomplexe Vorgänge in der Natur untersuchen, ist das oft nicht der Fall. Das kann daran liegen, dass nicht alle Prozesse bekannt sind, oder auch an den verwendeten Messmethoden. Ein Beispiel ist das Stickstoff-Budget der Ozeane. Wie viel Stickstoff im Ozean gebunden wird und wie viel Stickstoff der Ozean an die Atmosphäre abgibt bereitet den Wissenschaftlern nach wie vor Kopfzerbrechen. „Die Stickstoffbilanz der Ozeane ist wichtig, um die Entwicklung des Klimas prognostizieren zu können. Viele Organismen können nur gebundenen Stickstoff, also Nitrit, Nitrat oder Ammonium nutzen um zu wachsen und Lebensenergie zu gewinnen. Fehlen diese Stoffe, können sie auch kein CO<sub>2</sub>, binden, was sich wiederum auf das Klima auswirkt“, erklärt Professorin Julie LaRoche vom GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Doch bisher gab es beim Stickstoffbudget ein offensichtliches Problem. Die Auswertung langfristiger Klimaarchive aus dem Meeresboden zeigte, dass während der vergangenen 3000 Jahre ungefähr so viel Stickstoff im Ozean gebunden wie freigesetzt wurde. Messungen aktueller biologischer Vorgänge im Wasser dagegen suggerieren, dass der Ozean viel mehr Stickstoff abgibt als dort gebunden wird. Dieser Diskrepanz nahmen sich die Wissenschaftler des GEOMAR, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie (MPI) Bremen sowie der Dalhousie University im kanadischen Halifax nun an.

Schon 2010 fiel der Mikrobiologin Wiebke Mohr vom GEOMAR auf, dass die Ungereimtheiten beim Stickstoffbudget zumindest teilweise auf die Methode zurückzuführen sein könnten, mit der die Stickstofffixierung quantifiziert wird. Sie verglich zwei Methoden, die beide auf dem Einbau von besonders schweren Stickstoffatomen, dem Isotop <sup>15</sup>N, beruhen. Nach der herkömmlichen Methode wird der markierte, schwere Stickstoff als ungelöstes Gas zugegeben, bei der neuen Methode als im Meerwasser gelöstes Gas. Die Wissenschaftler testeten die neue Methode der <sup>15</sup>N<sub>2</sub>-Gabe als gelöstes Gas an Proben aus dem Atlantik: Die Ergebnisse präsentieren sie in der aktuellen Ausgabe des internationalen Fachmagazins „Nature“.

Für ihre Studie, die vom Kieler Sonderforschungsbereiches 754 und dem Verbundprojekt SOPRAN gefördert wurde, nahmen die beteiligten Wissenschaftler mit den deutschen Forschungsschiffen METEOR und POLARSTERN aus unterschiedlichen Teilen des tropischen, äquatorialen und des gemäßigten Südatlantiks Wasserproben inklusive der darin enthaltenen Mikroorganismen. Am Max-Planck-Institut in Bremen wurde dann die Stickstoff-Fixierung gemessen – an je einer Probe pro Standort nach der alten und an je einer Probe nach der neuen Methode. „Es zeigt sich deutlich, dass die alte, aber sehr verbreitete Methode die Stickstoff-Fixierungsraten von bestimmten Mikroorganismen deutlich unterschätzt“, erklärt Tobias Großkopf vom GEOMAR, Erstautor der „Nature“-Studie. Die neue Methode ergab Fixierungsraten, die zwischen 62 und 600 Prozent höher lagen als die mit der alten Methode gemessenen.

Großkopf und seine Kollegen untersuchten am GEOMAR auch die Artenzusammensetzung der Mikroorganismen und fanden einen Zusammenhang zwischen den jeweils vorherrschenden Arten und der Höhe der Messdifferenz. Stickstofffixierende Zellen, die an der Wasseroberfläche treiben haben bei der alten Methode, bei der <sup>15</sup>N<sub>2</sub> als ungelöstes Gas zugesetzt wird, eine höhere Wahrscheinlichkeit, das markierte Gas aufzunehmen. Das führt dazu, dass die Stickstofffixierungsraten von Organismen, die während der Inkubation mit markiertem Stickstoff absinken, unterschätzt werden. „Mit der neuen Methode, bei der wir gelöstes <sup>15</sup>N<sub>2</sub> zugeben, umgehen wir diesen Fehler“, betont Großkopf.
Linkes Bild: Eine Inkubationskammer auf dem Forschungsschiff POLARSTERN. Hier werden die Wasserproben auf die Messung der Stickstofffixierung vorbereitet. Foto: T. Baustian, GEOMAR Rechtes Bild: Wasserproben in der Inkubationskammer. Foto: M. Visbeck, GEOMAR
Doch auch die neue Untersuchungsmethode schließt die Lücken im Stickstoffbudget nicht komplett. „Das liegt auch daran, dass wir noch lange nicht alle Organismen kennen, die an diesen Prozessen beteiligt sind“, sagt Großkopf. Professorin Ruth Schmitz-Streit, Mikrobiologin an der CAU und Mitautorin der Nature Studie ergänzt: „Wir haben im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 754 gerade erst sieben neue Cluster von stickstofffixierenden Meeresmikroorganismen identifiziert, und viele Arten warten noch darauf entdeckt zu werden.“

Für Professor Marcel Kuypers, Direktor am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, liegen die wichtigsten Ergebnisse der Studie darin, dem Rätsel des marinen Stickstoffkreislaufs näher gekommen zu sein: „Wir kennen die Quellen und Senken des Stickstoffs im Ozean noch immer nicht genau. Mit unseren Ergebnissen sind wir aber ein entscheidendes Stück vorangekommen: Wir können jetzt den Beitrag der Stickstofffixierer im Meer besser einschätzen.“ Und somit letztlich auch die Grundlagen liefern für die Berechnung des Kohlenstoffhaushaltes des Ozeans.

Weitere Informationen sind unter www.geomar.de erhältlich.

Originalarbeit:

Großkopf, T., W. Mohr, T. Baustian, H. Schunck, D. Gill, M. M. M. Kuypers, G. Lavik, R. A. Schmitz, D. W. R. Wallace, J. LaRoche (2012): Doubling of marine dinitrogen-fixation rates based on direct measurements. Nature, http://dx.doi.org/10.1038/nature11338

Links:

www.geomar.de Das GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
www.uni-kiel.de Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
www.mpi-bremen.de Das Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen
www.sfb754.de Der Sonderforschungsbereich 754 Klima - Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean
http://sopran.pangaea.de Das Verbundprojekt SOPRAN

Bildmaterial:

Unter www.geomar.de/ steht Bildmaterial zum Download bereit.

Ansprechpartner

Tobias Großkopf, GEOMAR, FB2-Biologische Ozeanographie [Bitte aktivieren Sie Javascript]

Prof. Dr. Julie LaRoche,GEOMAR- FB2-Biologische Ozeanographie [Bitte aktivieren Sie Javascript]

Prof. Dr. Marcel Kuypers, Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie
[Bitte aktivieren Sie Javascript] Tel.: 0421 2028 602

Pressesprecher des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie

Dr. Manfred Schlösser [Bitte aktivieren Sie Javascript] Tel: 0421 2028 704
Dr. Rita Dunker [Bitte aktivieren Sie Javascript] Tel: 0421 2028 856
Back to Top