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02.03.2009 Wie der Stickstoff aus dem Meer entkommt
In Folge der globalen Erwärmung dehnen sich Regionen sauerstoffarmen Wassers – so genannte Sauerstoffminimumzonen – in den Weltmeeren immer weiter aus. Das hat weitreichende Auswirkungen auf den Lebensraum Meer und die Fischereiwirtschaft, da höhere Organismen diese Regionen meiden. Auch die globalen Kreisläufe von Kohlenstoff und Stickstoff sind eng mit Sauerstoffminimumzonen verknüpft. Ein detailliertes Verständnis dieser Kreisläufe ist daher unverzichtbar, um die Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels auf die Weltmeere und mögliche Rückkopplungen vorherzusagen. Eine im Fachjournal “PNAS” der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften erschienene Studie unter der Leitung von Phyllis Lam vom Max-Planck-Insitut für Marine Mikrobiologie in Bremen bringt uns diesem Verständnis einen großen Schritt näher.
Die Forscher beschäftigten sich mit dem Stickstoffkreislauf im tropischen Südostpazifik rund um die peruanische Sauerstoffminimumzone. Diese Region ist eine von drei Meeresregionen, in denen Stickstoff aus dem Meerwasser entweicht. „Lange Zeit wurde dieser Verlust auf Denitrifizierung zurückgeführt. Dabei wird Nitrat in Luftstickstoff umgewandelt, der dann in die Atmosphäre entweichen kann“, erklärt Lam. „Dieses Bild wandelt sich allerdings: Scheinbar sind so genannte Anammox-Bakterien für den Großteil des „verlorenen“ Stickstoffs verantwortlich. Bisher war jedoch unklar, woher die Anammox-Bakterien die „Rohstoffe“ für diese Umwandlung nehmen.“ Zudem ist im Untersuchungsgebiet keine Denitrifizierung messbar. Das stellt unser Verständnis vom eng verbundenen Kohlenstoffkreislauf in Frage – wenn es nicht die Denitrifizierung ist, welcher Prozess verantworte dann in sauerstoffarmen Wasserkörpern den Abbau organischen Materials?
Lams Erkenntnisse erschüttern bisherige Annahmen über den Stickstoffkreislauf in der peruanischen Sauerstoffminimumzone. Sowohl Experimente als auch molekulare Untersuchungen deuten darauf hin, dass mehrere Prozesse (mit Bezeichnungen, die den Laien durchaus fordern) beteiligt sind (Abb. 1): Der Großteil des Stickstoffs geht tatsächlich durch Anammox verloren. Dies ist unmittelbar an die Nitratreduktion und aerobe Ammoniakoxidation (den ersten Schritt der Nitrifizierung) als Quellen des NO2- gekoppelt. Das erforderliche NH4+ wiederum stammt aus der dissimilatorischen Nitratreduktion (DNRA) und Remineralisierung von organischem Material durch Nitratreduktion und vermutlich mikroaerobe Respiration. Die Bedeutung der einzelnen Prozesse variiert zwischen Küstenregionen und dem offenen Ozean ebenso wie in unterschiedlichen Tiefenschichten der Sauerstoffminimumzone. Zudem erstaunten die Forscher die hohen Umsatzraten der DNRA - bisher vermutete man, dass dieser Prozess im offenen Ozean keine Rolle spielt.
Abbildung 1: Überarbeiteter Stickstoffzyklus der Peruanischen Sauertoffminimumzone. Anammox (gelb) ist für den Großteil des Stickstoffverlusts verantwortlich. Es ist eng gekoppelt an die Nitratreduktion (rot) und aerobe Ammoniakoxidation (grün), die die Quellen des NO2- bilden. Das erforderliche NH4+ stammt aus der dissimilatorischen Nitratreduktion (DNRA, blau) und Remineralisierung von organischem Material durch Nitratreduktion und vermutlich mikroaerobe Respiration. Solche mikroaeroben Bedingungen traten mindestens im oberen Teil der OMZ auf, wie das Auftreten von Nitrifikation vermuten lässt. Die Bedeutung der Nitrifikation nimmt vom Schelf zum offenen Ozean hin ebenso wie in tieferen Schichten der OMZ ab. Im Gegensatz dazu wird die NH4+ -Produktion infolge von Nitratreduktion und DNRA mit zunehmender Tiefe uns Küstenentfernung immer bedeutsamer. ‘Assim.’ und ‘Remin.’ bedeuten Assimilation (grau) und Remineralisierung (braun). Stickstofffixierung (grau gestrichelt) könnte an den Stickstoffverlust nahe der OMZ gekopelt ein, wurde aber in der vorliegenden Studie nicht untersucht. (Quelle: Phyllis Lam, MPI; veröffentlicht in PNAS)
Mit ihren Erkenntnissen stürzen die Bremer Forscher die vorherrschende Meinung, dass Nitrat aus der Tiefsee für den gesamten Stickstoffverlust des Ozeans verantwortlich ist. Dessen Anteil betrug ersten Abschätzungen zufolge nur etwa die Hälfte, während die restlichen Verluste aus remineralisiertem Stickstoff - also solchem, der aus organischem Material stammte - erwuchsen.
Bisherige Berechnungen des Stickstoffverlusts, die sich alleine auf Messungen des Nitratdefizits berufen, unterschätzen den tatsächlichen Verlust aus dem Ozean also vermutlich substantiell – gerade wenn die Ergebnisse auf die anderen Sauerstoffminimumzonen der Welt übertragbar sind. „Insbesondere die Rolle des remineralisierten Stickstoffs muss überdacht werden“, betont Lam. „Nur so werden verlässliche Vorhersagen über die zukünftige Rolle der Ozeane für das Weltklima möglich.“
Fanni Aspetsberger
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Originalartikel: Revising the Nitrogen Cycle in the Peruvian Oxygen Minimum Zone. Phyllis Lam, Gaute Lavik, Marlene M. Jensen, Jack van de Vossenberg, Markus Schmid, Dagmar Woebken, Dimitri Gutiérrez, Rudolf Amann, Mike S. M. Jetten and Marcel M. M. Kuypers. Proceedings of the National Academy of Sciences. DOI: 10.1073/pnas.0812444106
Beteiligte Institute:
Max Planck Institute for Marine Microbiology, Celsiusstrasse 1, D-28359 Bremen, Germany.
Microbiology, IWWR, Radboud University Nijmegen, Nijmegen, the Netherlands.
Dirección de Investigaciones Oceanográficas, Instituto del Mar del Perú, Esquina Gamarra y General Valle S/N Chucuito Callao, Peru.
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Abbildung 3: Die bedeutendsten Sauerstoffminimumzonen (OMZs) der Weltmeere – Arabisches Meer, tropischer Nordostapazifik (ETNP) und Tropischer Südostpazifik (ETSP). Die Karte zeigt die jährliche durchschnittliche Konzentration an gelöstem Sauerstoff in einer Wassertiefe von 200 m. Die weiße Box zeigt die Peruanische Sauerstoffminimumzone, die Teil der ETSP und Gegenstand dieser Untersuchung ist. (Quelle: http://iridl.ldeo.columbia.edu/, IRI/LDEO Climate Data Library, Columbia University; ursprüngliche Rohdaten aus dem World Ocean Atlas 2005, NODC, NOAA)
Abbildung 2: Das Forschungsschiff R/V José Olaya Balandra vom Instituto del Mar del Perú (IMARPE), von dem aus die Forscher die Proben aus der Peruanischen Sauerstoffminimumtone entnahmen. (Quelle: www.imarpe.pe)