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Wi­der­stands­fä­hi­ge Al­gen könn­ten Grön­lands Eis schnel­ler schmel­zen las­sen

19.02.2025
Die klei­nen Eis­be­woh­ner ver­dun­keln das Eis und kön­nen so das Ab­schmel­zen der Glet­scher be­schleu­ni­gen.

Winzige Algen verdunkeln die Oberfläche der Gletscher und beschleunigen so deren Abschmelzen – beispielsweise auf dem Grönländischen Eisschild, das eine wichtige Rolle für unser Klima spielt und wegen dessen Erwärmung ohnehin schon immer schneller abschmilzt. Nun zeigt eine Studie des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie und der Universität Aarhus, dass die Eisalgen äußerst effizient wachsen, obwohl ihnen auf dem Eis kaum Nährstoffe zur Verfügung stehen.

Laura Halbach
Laura Halbach und Rey Mourot machen sich auf den Weg, um Eisproben auf dem Grönländischen Eisschild zu sammeln. (© Laura Halbach)

Glet­scher sind rie­si­ge wei­ße Flä­chen, die viel Son­nen­licht re­flek­tie­ren kön­nen. Ins­be­son­de­re da, wo kein Schnee die Glet­scher be­deckt und das blan­ke Eis frei­liegt, ha­ben sie aber manch­mal dunk­le Fle­cken. Da­bei han­delt es sich um mi­kro­sko­pisch klei­ne Al­gen, die auf dem Eis wach­sen und sei­ne Ober­flä­che ver­dun­keln. Durch die­se Ver­dun­ke­lung be­wir­ken die win­zi­gen Be­woh­ner, dass das Eis sich er­wärmt und schnel­ler schmilzt.

Rät­sel­haf­tes Al­gen­wachs­tum

Wo­her die klei­nen Al­gen die Nähr­stof­fe neh­men, um in die­ser le­bens­feind­li­chen Um­welt zu über­le­ben, ist kaum be­kannt. Ein For­schungs­team um Lau­ra Hal­bach, Ka­tha­ri­na Kit­zin­ger und Alex­and­re Ane­sio vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men und der dä­ni­schen Uni­ver­si­tät Aar­hus sind die­ser Fra­ge auf dem Grön­län­di­schen Eis­schild nach­ge­gan­gen. Sie stell­ten fest, dass die Al­gen auf dem Glet­scher­eis wah­re Meis­ter der Nähr­stoff­auf­nah­me sind. „Ich woll­te ver­ste­hen, wie es in Grön­land zu sol­chen Al­gen­blü­ten kom­men kann“, er­klärt Er­st­au­to­rin Lau­ra Hal­bach vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie. Mit neu­en Me­tho­den konn­te Hal­bach als ers­te For­sche­rin über­haupt mes­sen, wie die Al­gen Nähr­stof­fe auf­neh­men und spei­chern. „Die Al­gen kön­nen trotz der nur spär­lich vor­han­de­nen Nähr­stof­fe wach­sen und so das Eis be­sie­deln“, so Hal­bach. „An der West­küs­te Grön­lands wird schon heu­te etwa ein Zehn­tel der Eis­schmel­ze durch die mi­kro­sko­pisch klei­nen Be­woh­ner ver­ur­sacht. Zum Teil ver­dun­keln sie die Glet­scher­ober­flä­che so stark, dass dies so­gar auf Sa­tel­li­ten­auf­nah­men zu se­hen ist. An­ge­sichts des­sen, dass das Kli­ma im­mer wär­mer wird und auf dem Grön­län­di­schen Eis­schild im­mer mehr schnee­freie Be­rei­che und so­mit im­mer mehr po­ten­zi­el­ler Le­bens­raum für die Al­gen ent­ste­hen, ist de­ren Fä­hig­keit der ef­fi­zi­en­ten Nähr­stoff­auf­nah­me und -spei­che­rung be­son­ders be­deut­sam.“

Algen auf dem Eis
Die kleinen Algen bilden dunkle Flecken auf dem Eis (links, © Laura Halbach). Unter dem Mikroskop ist ihre dunkle Färbung gut zu erkennen (rechts, Abbildung aus der Publikation in Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-025-56664-6)

Ef­fi­zi­en­te Nähr­stoff­nut­zung von glo­ba­ler Be­deu­tung

Der Grön­län­di­sche Eis­schild spielt eine wich­ti­ge Rol­le für un­ser Kli­ma. Sein Ab­schmel­zen trägt er­heb­lich zum glo­ba­len Mee­res­spie­gel­an­stieg bei, da da­durch gro­ße Men­gen an Süß­was­ser in die Ozea­ne ge­lan­gen. Durch die Kli­ma­er­wär­mung ver­schwin­det der Schnee von im­mer mehr Glet­scher­flä­chen und das Eis wird frei­ge­legt. So ent­ste­hen neue Flä­chen, die von Eisal­gen be­sie­delt wer­den kön­nen, was wie­der­um die Schmel­ze be­schleu­nigt – ein Kreis­lauf, der drin­gend ge­nau­er ver­stan­den wer­den muss. Hier bringt uns die nun vor­lie­gen­de Stu­die ei­nen gro­ßen Schritt vor­an: „Bis­her gab es kei­ne Mes­sun­gen, wie sich die Eisal­gen mit Nähr­stof­fen ver­sor­gen“, sagt Hal­bach. „Die­se Lü­cke schlie­ßen wir nun mit ei­ner be­son­ders prä­zi­sen Me­tho­de, mit der wir die Nähr­stoff­auf­nah­me und -spei­che­rung ein­zel­ner Zel­len mes­sen kön­nen. Un­se­re Er­geb­nis­se zei­gen, dass das die Al­gen schnell wach­sen kön­nen, ob­wohl vor Ort kaum Nähr­stof­fe vor­han­den sind. Statt­des­sen kön­nen sie an­or­ga­ni­schen Stick­stoff ef­fi­zi­ent auf­neh­men und Phos­phor gut spei­chern.“

Wenn die­se Eisal­gen also nicht an­ders de­zi­miert wer­den, bei­spiels­wei­se durch pa­ra­si­ti­sche Pil­ze oder ei­nen Man­gel an Spu­ren­ele­men­ten, wür­de ih­rem Wachs­tum we­nig im Wege ste­hen. Sie könn­ten auf frei­ge­leg­ten Eis­flä­chen wach­sen und so die Eis­schmel­ze ver­stär­ken – eine mög­li­che po­si­ti­ve Rück­kopp­lung mit der Kli­ma­er­wär­mung.

Die Er­geb­nis­se der For­schen­den rund um Lau­ra Hal­bach sind nicht nur fas­zi­nie­rend, son­dern auch wich­tig. Mit ih­rer Hil­fe lässt sich bes­ser vor­her­sa­gen, wie die dunk­len Al­gen zum Ab­schmel­zen des Grön­län­di­schen Eis­schilds bei­tra­gen. Be­rech­nun­gen der jähr­li­chen Eis­schmel­ze flie­ßen in heu­ti­ge Kli­ma­mo­del­le ein. Mit den neu­en Er­kennt­nis­sen kön­nen die Mo­del­le die Eis­schmel­ze in den kom­men­den Jah­ren noch ge­nau­er vor­her­sa­gen ­– und da­mit auch de­ren Aus­wir­kun­gen auf das glo­ba­le Kli­ma.

Die neu­en Er­kennt­nis­se könn­ten ge­nutzt wer­den, die Al­gen bes­ser in Mo­del­le zur Vor­her­sa­ge der Eis­schmel­ze ein­zu­bin­den – und da­mit auch de­ren Aus­wir­kun­gen auf das glo­ba­le Kli­ma bes­ser dar­zu­stel­len.

Laura Halbach
Laura Halbach bei der Feldarbeit auf dem Grönländischen Eisschild (© Laura Halbach)
Camp
Das Forschungscamp auf dem Grönländischen Eisschild (© Laura Halbach)

Ori­gi­nal­ver­öf­fent­li­chung

Lau­ra Hal­bach, Ka­tha­ri­na Kit­zin­ger, Mar­tin Han­sen, Sten Litt­mann, Lia­ne G. Ben­ning, Ja­mes A. Brad­ley, Mar­tin J. White­hou­se, Ma­lin Olofs­son, Rey Mou­rot, Mar­tyn Tran­ter, Mar­cel M. M. Kuy­pers, Lea El­le­gaard-Jen­sen & Alex­and­re M. Ane­sio (2025): Single-cell imaging reveals efficient nutrient uptake and growth of microalgae darkening the Greenland Ice Sheet. Nature Communications (on­line pu­bli­ca­ti­on Fe­bru­ary 19, 2025)

DOI: 10.1038/s41467-025-56664-6

Be­tei­lig­te In­sti­tu­tio­nen

  • Universität Aarhus, Aarhus, Dänemark
  • Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Celsiusstraße 1, 28359 Bremen, Deutschland
  • GFZ German Research Centre for Geosciences, Potsdam, Deutschland
  • Swedish Museum of Natural History, Stockholm, Schweden

Rück­fra­gen bit­te an:

Forschungsgruppe Biogeochemie

Laura Halbach

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

3223

Telefon: 

+49 421 2028-8320

Laura Halbach

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
 
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