- Doktorarbeit
Thema der Doktorarbeit
Bakterienparty – Elektro, Rock und Heavy Metal
Wie uns die Geomikrobiologie hilft, den Klimawandel zu verstehen.
Klimawandel, Treibhausgase und deren Auswirkungen
Ende Dezember vergangenen Jahres war es wieder so weit; die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) wählte das Wort des Jahres 2018 und ihre Wahl fiel auf Heißzeit. Laut der Begründung der Jury wäre Heißzeit nicht nur eine interessante Wortschöpfung und Analogie zu Eiszeit, sondern beinhaltet auch gleich eine epochale Dimension. Und genau hier stoßen wir auf weitere Begriffe wie den des Klimawandels. Da Gesellschaft und Wissenschaft von einer epochalen Dimension des Klimawandels ausgehen, ist es nun eine der größten Herausforderungen der Menschheit im 21. Jahrhundert, den Klimawandel zu verstehen, den weiteren Verlauf der Klimaveränderungen präzise vorherzusagen und Lösungsansätze zu finden, um mit den Folgen der klimatischen Veränderungen umzugehen.
Einige Schlüsselfaktoren des Klimawandels sind bereits bekannt (Sonnenzyklen, Erdachsenpräzission). Neben natürlichen Veränderungen zählt die Bildung von Treibhausgasen zu den wichtigsten Ursachen von klimatischen Veränderungen. Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4), Ozon (O3) und Distickstoffmonoxid (N2O) zählen beispielsweise dazu und können in der Stratosphäre großen Schaden anrichten. Weltweit arbeiten Forscher intensiv daran, das Klima und seine Veränderungen besser zu verstehen. So gibt es zahlreiche Studien in der landwirtschaftlichen Forschung und in Polargebieten. Der Bereich der Geomikrobiologie beschäftigt sich mit den Einflüssen von Mikroorganismen auf den Zustand der Erdkruste und Atmosphäre. Ein Untersuchungsgebiet, was erst in den vergangenen Jahren verstärkt in den Fokus gerückt ist, sind die zahlreichen Süßwasserseen und langen Küstenstreifen der Kontinente, sowie die jeweiligen mikrobiellen Gemeinschaften in diesen Habitaten.
In meiner Forschungsarbeit habe ich eisenhaltige Meer- und Süßwassersedimenten untersucht und einen Beitrag zur Beantwortung folgender offener Forschungsfragen geleistet:
- Welche Folgen und Effekte hat die N2O Bildung in Küstensedimenten?
- Wie viel N2O wird durch bakterielle Aktivitäten und wie viel durch geochemische Prozesse gebildet?
- Welche Rolle spielen Eisenbakterien bei der Produktion von N2O in eisenhaltigen Küstensedimenten?
- Inwieweit beeinflusst die Verteilung und Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft die geochemischen Prozesse und welche Auswirkungen hat dies auf die Bildung von Treibhausgasen?
Die Erkenntnisse meiner Doktorarbeit verbessern unser Wissen über die Verteilung der aktiven Eisenbakterien in Küstensedimenten und den potenziellen Elektronenaustausch von Sedimentbakterien. Des Weiteren konnten die Folgen von Nitrat-Düngung und der N2O-Beitrag durch geochemische Reaktionen bestimmt werden. Diese Forschungsergebnisse im Bereich der Klimaforschung und Umweltmikrobiologie helfen daher, den Klimawandel, dessen Ursachen und Folgen besser zu verstehen.
Küstensedimente als bedeutende N2O-Quelle
Küstennahe marine Lebensräume wurden 1998 erstmals als wichtige N2O-Quelle identifiziert. Sandige Sedimente sind repräsentativ für etwa 70% aller globalen Schelfsedimente und setzen voraussichtlich bis zu 1,9 Teragramm N2O-N pro Jahr frei. In Zukunft könnte die N2O-Freisetzung aufgrund zunehmender Nitrat-haltiger Düngereinsätze auf nahe gelegenen landwirtschaftlichen Flächen sogar noch weiter zunehmen. Durch Regenniederschlag können Teile des Nitrats ausgewaschen werden, was sich dann in den sandigen Sedimenten ablagert und die Küstenmeere verschmutzt. Die Aktivität der darin lebenden Nitrat-abbauenden Bakterien kann daher zusätzliche N2O-Produktion erwirken und N2O-Emissionsraten verstärken. Daraus ergibt sich eine zentrale Forschungsfrage: Welchen Beitrag leisten biologische und geochemische Prozesse zur Bildung von N2O in Küstensedimenten?
Die Biogeochemie typischer Küstensedimente

Die Biogeochemie von Meer- und Süßwassersedimenten sind in der Regel durch vertikale Gradienten von Elektronen-abgebenden Substanzen (Elektronendonatoren) und Elektronen-aufnehmenden Substanzen (Elektronenakzeptoren) sowie Sauerstoff-reichen und -armen Zonen gekennzeichnet (Abbildung 1).
Die Sedimentschichten werden hauptsächlich durch die bakterielle Umsetzung von organischen Material geformt, einfacher gesagt durch die verschieden Nahrungsvorlieben und -aufnahmen der unterschiedlichen Bakterien. Während des Umsetzungsprozesses werden die verschiedenen Elektronenakzeptoren in einer typischen Reihenfolge verbraucht. Der Abbau von organischen Verbindungen mit Sauerstoff liefert die höchste Energiemenge und daher wird Sauerstoff typischerweise zuerst verbraucht, gefolgt von Nitrat, Eisen(III) und schließlich Kohlendioxid (CO2). Doch Wellenbewegungen und biologische Aktivitäten von Sedimentwürmern durchmischen diese Sedimentstrukturen, weshalb die geochemischen Zonen in der Natur nicht immer klar getrennt sind und sich oft überschneiden.
Der bakteriell-gesteuerte Eisenkreislauf in Küstensedimenten

Eisen (Fe) ist nach Sauerstoff (O2), Silizium und Aluminium eines der häufigsten Elemente auf der Erde. Es ist ein biologisch essentieller Nährstoff für fast alle lebenden Organismen, da es an einer Vielzahl metabolischer und chemischer Prozesse beteiligt ist. Dabei befindet sich das Eisen typischerweise im Zentrum von Enzymen, sowohl bei Bakterien als auch in Pflanzen und Tieren.
Eisenbakterien sind umgangssprachlich Bakterien, die die Fähigkeiten besitzen Eisenminerale zu verstoffwechseln oder Eisenminerale herzustellen und daher gelbbraunrot gefärbt sind. Um Energie für Zellprozesse und Wachstum zu gewinnen, wandeln diese Bakterien Eisen zwischen seinen zwei Stufen Eisen(II) und Eisen(III) um (Abbildung 2). Einige Bakterien (Eisen(II)-oxidierende Bakterien) verwandeln Eisen(II) zu Eisen(III), welches sofort Eisenminerale formt. Der entgegengesetzte Prozess, die Reduktion von Eisen(III) zu Eisen(II), wird von Eisen(III)-reduzierenden Bakterien ausgeführt. Eisenbakterien sind in der Natur weit verbreitet, leben in Meeres- und Süßwasserlebensräumen eng zusammen und tragen dabei zu biogeochemischen Stoffkreisläufen bei.
Die unerwartete Verteilung der Eisenbakterien in typischen Küstensedimenten

Zu Beginn meines Promotionsprojekts war die natürliche Verteilung der aktiven Eisenbakterien in küstennahen Sedimenten unbekannt. Meine Dissertation behandelt die Vielfalt, das Vorkommen, die Verteilung und die Aktivität von Eisen(II)-oxidierenden und Eisen(III)-reduzierenden Bakterien in repräsentativen Küstensedimenten. Dabei habe ich Süßwassersedimente vom Bodensee (Süddeutschland) und marine Küstensedimente aus der Aarhusbucht in Dänemark untersucht. Die bakterielle Gemeinschaft wurde an der Sauerstoff-reichen und Sauerstoff-armen Schnittstelle der oberen Sedimentzonen charakterisiert (siehe Abbildung 1). Geochemische Profile von Eisen, Sauerstoff, Nitrat und Licht zeigten eine spezifische Schichtung der untersuchten Sedimente. Diese Sedimentschichtung konnte 75-85% der vertikalen Verteilung aller Sedimentbakterien erklären (Abbildung 3). Daher wurde ebenfalls eine solche Verteilung für die Gruppe der Eisenbakterien erwartet (Abbildung 3). Stattdessen zeigte sich in den untersuchten Sedimenttiefen (0-3 cm) eine gleichmäßige Verteilung der aktiven Eisenbakterien, was bedeutet, dass sich die aktiven Eisenbakterien nicht anhand von geochemischen Gradienten und deren „Nahrungsmittel“-zonen orientieren.

Dieses Verhalten kann so erklärt werden, dass die Eisenbakterien i) durch äußere physikalische Einflüsse wie Wurmaktivitäten oder Wellenbewegungen durchmischt wurden (Abbildung 4), ii) sich in einen Schlafzustand versetzen können und so lange „schlafen“ bis sich bessere Bedingungen bieten, iii) sich flexibel hin- und her bewegen können, iv) sich in mit Sauerstoff oder Nitrat gefüllten Mikronischen in den Sedimenten aufhalten, v) sich unterschiedlich ernähren können, also verschiedene Substanzen „essen“ können (metabolische Flexibilität), oder vi) mit den erst kürzlich entdeckten sogenannten Kabelbakterien interagieren (Abbildung 4).
Eine mögliche Erklärung - die außergewöhnliche Bakterien-„Band“

Die Forscher um Prof. Pfeffer haben 2010 die ungewöhnlichen multizellulären Mikrobenfäden entdeckt. Kabelbakterien sind in der Lage Elektronen über weite Strecken in Sedimenten zu transportieren und funktionieren wirklich wie elektrische Kabel! In meiner Dissertation konnte ich erstmals zeigen, dass Kabelbakterien und Eisenbakterien in denselben Sedimentschichten aktiv sind und die Kabelbakterien einen möglichen Einfluss auf den Eisenkreislauf haben. Das bedeutet im Detail: die Eisen(II)-oxidierenden Bakterien können damit Elektronen an die Kabelbakterien abgeben und die Eisen(III)-reduzierenden Bakterien könnten mithilfe der Kabelbakterien als „Elektronen-Tankstelle“ Elektronen aufnehmen (Abbildung 5).
Eisenbakterien könnten damit, im Gegensatz zu anderen Bakterien in der Sedimentgemeinschaft, unabhängig von ihrer notwendigen „Nahrung“ wie Sauerstoff, Nitrat und Eisen in allen Sedimentschichten überleben! Damit könnte die außergewöhnliche Zusammenarbeit von Kabelbakterien und Eisenbakterien das besondere Verteilungsmuster der Eisenbakterien in den untersuchten Küstensedimenten erklären (Abbildung 4). Zu diesem Elektronenaustausch an der „Kabelbakterien-Tankstelle“ passt die Metapher der „elektronischen Musik“. Die „elektrogene“ Bakteriengesellschaft kann somit als „Elektroband“ verstanden werden. Begriffe wie Elektro, Hard Rock und Heavy Metal bekommen damit im Anblick dieser mikrobiellen Freundschaft von „rockigen“ Eisenbakterien und besonderer „elektrogener Verknüpfung“ zu Kabelbakterien eine ganz neue Bedeutung.
Darüber hinaus können Kabelbakterien in - Abwesenheit von Sauerstoff - Nitrat nutzen und somit auch einen Beitrag zur N2O Produktion leisten. Das homogene Verteilungsmuster der Kabelbakterien und Eisenbakterien hat damit auch einen großen Einfluss auf die umgebene Geochemie des Küstensediments.
Der geochemisch-gesteuerte Eisenkreislauf in Küstensedimenten

Damit nun zurück zum Klimawandel. Kabelbakterien, Nitrat-abbauende Eisenbakterien und andere Mikroorganismen leisten alle einen Beitrag zum Abbau von Nitrat. Nitrat gelangt auch durch Düngemittel oder andere landwirtschaftliche Zusätze auf die Felder und wird schließlich in die naheliegenden Küstenregionen gespült. Damit spielen viele Bakterien, die Nitrat zu Nitrit umwandeln können, eine große Rolle im Stickstoffkreislauf. Neben den erwähnten bakteriellen Gruppen sind auch geochemische (abiotische) Prozesse am Eisenkreislauf beteiligt (Abbildung 2, Abbildung 6). Die Reaktion von Eisen(II) und reaktiven Nitrit kann zu einer abiotischen Produktion des Treibhausgases N2O führen (Abbildung 2).
Das Treibhausgas N2O – N2O Bildung durch bakterielle und geochemische Aktivitäten
Das N2O (Distickstoffmonoxid) ist eines der wichtigsten langlebigen Treibhausgase. Weltweit werden die jährlichen N2O-Emissionen u.a. in Böden (höchste N2O Emission), offenen Ozeanen, Reisfeldern, Küstensedimenten, sowie Flüssen gemessen. Wie der biotisch und abiotisch gesteuerte Eisenkreislauf, kann auch eine Vielzahl von biotischen und abiotischen Prozessen im Stickstoffkreislauf die N2O Bildung stimulieren. Der spezifische Beitrag der einzelnen Prozesse zum globalen N2O-Budget ist zurzeit aber noch ungewiss. Bisher wurde angenommen, dass die mikrobielle N2O-Produktion hauptsächlich durch die zwei Prozesse Nitrifikation (Bildung von Nitrit) und Denitrifikation (Abbau von Nitrat) dominiert wird.
Die bakterielle Denitrifikation verläuft in einzelnen separaten Stoffwechselschritten (von Nitrat zu Nitrit, weiter zu NO und dann zu N2O). Einige bekannte Bakterien sind in der Lage Nitrat zu Nitrit abzubauen, indem die Reaktion an die Eisen(II)-Oxidation koppeln. Erst kürzlich wurde nachgewiesen, dass diese Kopplung von Nitratabbau und Eisen(II) auch ein geochemischer Prozess ist, der durch reaktives Nitrit und Eisen(II) stimuliert wird. Die schnelle abiotische Reduktion von Nitrit durch Eisen(II) ist daher eine wichtige N2O-Quelle in der Natur und wird als „Chemodenitrifikation“ bezeichnet (Abbildung 6). Chemodenitrifikation ist also eine geochemische Reaktion, die zur Treibhausgasentwicklung führt.
Geochemische Aktivitäten im Küstensediment – der unbekannte Beitrag zum globalen N2O Budget

Neben der bakteriellen Denitrifikation ist der geochemische Abbau von Nitrit durch Eisen(II) (Chemodenitrifikation) eine potenziell weitere wichtige N2O Quelle in Küstensedimenten. Der Beitrag der Chemodenitrifikation zum globalen N2O-Budget war bis jetzt unbekannt. In meiner Dissertation konnte ich die N2O-Bildung in natürlichem (bakteriell + geochemisch aktiv) und sterilem (nur geochemisch aktiv) Küstensediment aus Dänemark bestimmen. Der Vergleich von natürlichem und sterilem Sediment ergab, dass eine bemerkenswerte Menge von mindestens 15-25% der gesamten N2O-Bildung durch Chemodenitrifikation verursacht wurde, während 75-85% des gesamten entstandenen N2O Konzentration durch Denitrifikation und andere bakterielle Prozesse gebildet wurden.
Die Ergebnisse meiner Doktorarbeit deuten also darauf hin, dass der Prozess der Chemodenitrifikation durch Eisen(II) wesentlich zur globalen N2O-Bildung beitragen kann und auch die Bakteriengemeinschaft in marinen Sedimenten erheblich beeinflusst. Die Daten liefern neue Informationen darüber, wie die Erde durch zukünftige Veränderungen z.B. durch Düngemitteleinflüsse, Treibhausgasbildung von N2O und daraus resultierende Klimawandel verändert werden könnte.
Zusammenfassung meiner Doktorarbeit

Zusammengenommen zeigen die Ergebnisse meiner Promotion, dass aktive Eisenbakterien nicht den geochemischen Gradienten in Meer- und Süßwassersedimenten folgen. Eine mögliche Erklärung dafür ist die „Bakterienfreundschaft“ zwischen Eisenbakterien und Kabelbakterien, welche in der Sedimentgemeinschaft eine ungeahnte Rolle spielen kann. Diese unerwartete homogene Verteilung von Eisenbakterien beeinflusst die Treibhausgasentwicklung: Eisen(II) und reaktive Eisenminerale sind somit überall im Sediment verfügbar und können überall im Sediment das reaktive Nitrit zu N2O abbauen. Das bedeutet, dass der geochemische Prozess der Chemodenitrifikation eine wichtige Rolle bei der N2O-Bildung spielt. Und zwar in allen Sedimentschichten! Der Beitrag der Chemodenitrifikation wurde auf 15-25% des globalen N2O Budget abgeschätzt.
Diese neuen Erkenntnisse verbessern unser Verständnis über die aktiven Mitglieder des Eisenkreislaufs und der bakteriellen- und geochemischen Prozesse, die zur N2O-Bildung führen. Wir können gespannt sein, wie sich die Ergebnisse auf die weitere Forschung auswirken und wie das Wissen dazu genutzt wird, unsere Leben auch weiterhin zu verbessern und alle Herausforderungen und Probleme um den Klimawandel zu meistern. Denn gerade bei hochkomplexen nichtlinearen Zusammenhängen wie dem Klima kommt es darauf an, alle Details zu erfassen und für die Modellbildung zu berücksichtigen. Dies sind wir den Nachfolgegenerationen schuldig.