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Nachweis gelungen: Bakterienzellen in der Tiefen Biosphäre sind lebendig!

Neu in Nature: Was sich in der Tiefen Biosphäre unterhalb des Meeresbodens abspielt, konnte man lange Zeit nur ahnen.
 
Was sich in der Tiefen Biosphäre unterhalb des Meeresbodens abspielt, konnte man lange Zeit nur ahnen. Jetzt hat die Auswertung eines internationalen Forscherteams um Dr. Axel Schippers von der Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe in Hannover zusammen mit seinen Kollegen vom Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie und anderen gezeigt, dass die Bohrkerne aus dem östlichen Pazifik lebendige Bakterien enthalten. Schippers konnte mit neu entwickelten empfindlichen Nachweistechniken erstmals zeigen, dass in den reichlich vorhandenen Zellen ein wichtiger Bestandteil vorkommt, die sehr instabile ribosomale RNA. Lebendige Zellen fanden sie in bis zu 16 Millionen Jahre alten Sedimenten.
An Bord des Forschungsschiffs Joides Resolution (copyright www.iodp.org)
Marine Sedimente bedecken etwa 70 % der Erdoberfläche und man schätzt anhand von ausgewerteten Bohrungen, dass ungefähr 10 - 30% aller Mikroorganismen dort tief verborgen sind. In den oberen Schichten fanden die Forscher bei einer Ausfahrt mit dem Forschungsbohrschiff Joides Resolution 100 Millionen Zellen pro Milliliter, bis zu einer Tiefe von 40 m sank dieser Wert auf 1 Million pro Milliliter ab. In 400 Metern fanden sie immerhin noch 100 000 Zellen.

Die Wissenschaftler standen jedoch vor dem Problem zu unterscheiden, ob es sich bei diesen Zellen um lebendige oder tote handelt. Schippers und Kollegen gelang es, mit zwei hochempfindlichen Methoden einen Zellbestandteil nachzuweisen, der nur in lebenden Zellen zu finden ist: Ribosomale RNA. Diese RNA-Moleküle sind Bestandteil des Proteinsyntheseapparats und damit lebensnotwendig für alle Arten von Zellen. Am Ribosom entstehen wie am Fliessband neue Proteine und Werkzeuge (Enzyme), die die Zelle zum Leben braucht.

Die CARD-FISH-Technik und die quantitative Polymerase Chain Reaction (Q-PCR) sind zurzeit die empfindlichsten Methoden, mit der man lebende Zellen nachweisen kann. Beide Techniken wurden am Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie erstmals zur Anwendung von Meeressedimenten optimiert und erfolgreich eingesetzt. Dabei nutzten die Forscher die spezifische Bindung eines kurzen Stücks einzelsträngiger DNA (Gensonde, Primer bzw. Oligonukleotid) an die in den Mikroorganismen vorhandenen Sequenzen auf der ribosomalen RNA. Bei der Q-PCR wird ein Stück dieser labilen ribosomalen RNA als DNA-Kopie umgeschrieben und dann künstlich vermehrt. Bei diesem Prozess wird ein Farbstoffmolekül in das Produkt eingebaut, das man quantitativ genau erfassen kann. So konnten die Forscher die Anzahl der Ausgangsmoleküle in der Probe bestimmen. Bei der CARD-FISH-Methode besteht der Trick darin, an einer spezifischen Gensonde ein aktives Enzym zu koppeln, das eine starke Farbreaktion bei entsprechender Behandlung hervorruft. Gensonde mit Enzym müssen nun in die Zellen geschleust werden, die Probe angefärbt und unter dem Mikroskop ausgewertet werden. Nur in den Zellen, in denen die Gensonde andocken konnte, erkennt man ein deutliches Signal. Die erhaltenen Lebend-Zellzahlen verglichen die Forscher mit der Gesamtzellzahl, die auch tote Zellen mit einschließt. Bei den Bohrkernen im östlichen Pazifik sind nach CARD-FISH und Q-PCR-Analyse mindestens zwischen 10 bis 30% aller Zellen lebendig. Mit diesen Werkzeugen gelang es Schippers und Kollegen auch, die Tiefenverteilung der Spezies an verschiedenen Standorten zu vergleichen. An den Ozeanrändern fanden sie deutlich mehr Bakterien als Archaeen. Je tiefer sie bohrten, umso geringer wurde der Anteil an Archaeen.

Von anderen Messungen am selben Bohrkern schätzten die Forscher, wie viel Biomasse im Meeresboden neu entsteht, zusammen mit der Anzahl lebendiger Zellen konnten sie jetzt berechnen, wie lang ihre Verdopplungszeit ist. Zu ihrer Überraschung teilen sich die Bewohner der Tiefe genauso schnell wie ihre auf dem Meeresboden lebenden Vettern. Je nach Art kamen sie auf Werte von einem Viertel Jahr bis zu 22 Jahren. Sie wachsen langsam, aber im geologischen Zeitrahmen spielen sie eine wichtige Rolle. Sie leben, aber ihr Leben läuft sehr langsam ab. Was sie genau machen und welchen Einfluss sie auf die globalen Kreisläufe und das Weltklima nehmen, bleibt noch zu erforschen.

Manfred Schlösser
Ansprechpartner

Dr. Axel Schippers (BGR), 0511-643-3103, [Bitte aktivieren Sie Javascript]
Dr. Lev Neretin (MPI), 0421-2028-653 [Bitte aktivieren Sie Javascript]
Dr. Timothy Ferdelman (MPI), 0421-2028-651, [Bitte aktivieren Sie Javascript]
Prof. Dr. Bo Barker Jørgensen (MPI), 0421-2028602, [Bitte aktivieren Sie Javascript]



Pressesprecher des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie
Dr. Manfred Schlösser
Tel.: 0421-2028-704, [Bitte aktivieren Sie Javascript]


Beteiligte Institutionen:

BGR: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Stilleweg 2, 30655 Hannover, www.bgr.de

MPI: Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Celsiusstr. 1, 28359 Bremen, 0421-2028-50, www.mpi-bremen.de

GeoForschungsZentrum Potsdam, PB 4.3, Telegrafenberg, 14473 Potsdam
www.gfz-potsdam.de

School of Earth, Ocean and Planetary Sciences, Cardiff University, Main Building,
Park Place, Cardiff CF10 3YE, Wales, UK, www.earth.cardiff.ac.uk


Titel der Originalarbeit
"Prokaryotic cells of the deep sub-seafloor biosphere identified as living bacteria",
Axel Schippers, Lev N. Neretin, Jens Kallmeyer, Timothy G. Ferdelman, Barry A. Cragg, R. John Parkes & Bo B. Jørgensen, Nature 24 Feb 2005

Die Joides Resolution
Das Forschungsschiff Joides Resolution, auf dem die Forscher auf dem Fahrtsabschnitt 201 (Leg 201) im östlichen Pazifik unterwegs waren. (Copyright ODP Program , www.iodp.org).
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