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14.09.2011 Mi­kro­ben an Hydro­ther­mal­quel­len eli­mi­nie­ren Kli­ma­gas Me­than

An­ae­ro­be Oxi­da­ti­on von Me­than (AOM) nun auch in Se­di­ment um Hydro­ther­mal­quel­len nach­ge­wie­sen
 
In ma­ri­nen Se­di­men­ten la­gern gro­ße Men­gen des Treib­haus­ga­ses Me­than, das ent­we­der durch mi­kro­bi­el­len Stoff­wech­sel oder durch geo­ther­ma­le Pro­zes­se ent­steht. Den­noch ge­langt das Me­than sel­ten in die At­mo­sphä­re und kann dort sei­ne Wir­kung als kli­ma­re­le­van­tes Gas ent­fal­ten, denn es wird zum gro­ßen Teil be­reits im Se­di­ment wie­der ab­ge­baut. Jetzt be­rich­ten Bre­mer Max-Planck-For­scher und ihre Kol­le­gen über neue mi­kro­bi­el­le Le­bens­ge­mein­schaf­ten, die Me­than un­ter Aus­schluss von Sau­er­stoff bei ho­hen Tem­pe­ra­tu­ren von bis zu 70 °C ab­bau­en kön­nen.

Zum bio­lo­gi­schen Ab­bau des Treib­haus­ga­ses Me­than sind nur we­ni­ge spe­zia­li­sier­te Mi­kro­or­ga­nis­men fä­hig. Bei ei­ni­gen spielt da­bei Sau­er­stoff als Oxi­da­ti­ons­mit­tel eine Rol­le, an­de­re wie­der­um bau­en Me­than un­ter Aus­schluss von Sau­er­stoff ab. Ohne Sau­er­stoff bau­en die Mi­kro­or­ga­nis­men Me­than nur un­ter spe­zi­el­len Be­din­gun­gen ab, zum Bei­spiel in ei­ner en­gen Le­bens­ge­mein­schaft von Ar­chae­en und Bak­te­ri­en. In dem Pro­zess der Anaeo­ben Oxi­da­ti­on von Me­than (AOM) wird das Me­than mit Sul­fat als Oxi­da­ti­ons­mit­tel um­ge­setzt. Die bei­den Part­ner die­ser mi­kro­bi­el­len Kon­sor­ti­en pro­fi­tie­ren da­bei von­ein­an­der, in­dem die Ar­chae­en das Me­than nut­zen kön­nen, wäh­rend die Bak­te­ri­en ihre En­er­gie aus ei­nem bis­lang un­be­kann­ten Zwi­schen­pro­dukt der Ar­chae­en und Sul­fat ge­win­nen.

Bis­lang hat­te man die­se Le­bens­ge­mein­schaf­ten zwi­schen Me­than-oxi­die­ren­den Ar­chae­en und Sul­fat-re­du­zie­ren­den Bak­te­ri­en nur in Le­bens­räu­men mit kal­ten und ge­mä­ßig­ten Tem­pe­ra­tur­be­din­gun­gen von -1,5-20 °C ge­fun­den. Schon lan­ge je­doch wis­sen die Mi­kro­bio­lo­gen, dass die mi­kro­bi­el­len Pro­zes­se der Sul­fat­re­duk­ti­on und Me­tha­no­ge­ne­se, ein der An­ae­ro­ben Oxi­da­ti­on von Me­than ver­wand­ter Stoff­wech­sel­weg, bei Tem­pe­ra­tu­ren von bis zu 100°C ab­lau­fen kön­nen. So star­te­ten die Max-Planck-For­scher die Su­che nach AOM-Kon­sor­ti­en, die auch bei ho­hen Tem­pe­ra­tu­ren ak­tiv sind.
Das Guaymas-Becken an der Westküste von Mexiko.
Links: Tauchboot Al­vin des Woods Hole Ocea­no­gra­phic In­sti­tu­ti­on (WHOI), mit dem die Forscher mit ihren Kollegen vom WHOI die Sedimentproben auf 2000 m Tiefe entnommen und zumSchiff gebracht haben (Shelly Dawicki © Woods Hole Oceanographic Institution). Rechts: Der Tiefsee-Boden des Guaymas-Beckens, wo die Sedimentkerne mit Alvin entnommen wurden (Mit freundlicher Genehmigung des Woods Hole Oceanograhic Institution).
Fün­dig ge­wor­den sind Tho­mas Hol­ler und sei­ne Kol­le­gen in Se­di­ment­pro­ben aus dem Gu­ay­mas-Be­cken, in de­nen sie den Ab­bau von Me­than un­ter sau­er­stoff­frei­en Be­din­gun­gen ver­folg­ten. Das Gu­ay­mas-Be­cken liegt im Golf von Ka­li­for­ni­en in Me­xi­ko auf ei­nem ozea­ni­schen Rü­cken, ei­nem seis­misch ak­ti­ven Be­reich. Aus­ein­an­der­drif­ten­de tek­to­ni­sche Plat­ten las­sen ent­lang die­ses Rü­ckens neue Erd­krus­te ent­ste­hen. Auf­stei­gen­der, hei­ßer Ba­salt er­hitzt das Se­di­ment, wo­durch ab­ge­la­ger­tes, or­ga­ni­sches Ma­te­ri­al zu Erd­öl, Me­than und an­de­ren Koh­len­was­ser­stof­fen zer­fällt. Hei­ße Po­ren­was­ser tre­ten aus dem Se­di­ment aus und bil­den Hydro­ther­mal­quel­len, an de­nen eine Viel­zahl von Mi­kro­or­ga­nis­men vom Ab­bau der Koh­len­was­ser­stof­fe lebt. Um das Se­di­ment un­ter­su­chen zu kön­nen, hol­ten die For­scher Se­di­ment­ker­ne mit dem be­mann­ten Tauch­boot Al­vin aus über 2000 m Tie­fe her­auf.

Tho­mas Hol­ler sagt: „Im La­bor ha­ben wir die Pro­ben in­ku­biert und dann mit ei­ner Rei­he bio­geo­che­mi­scher und mo­le­ku­lar­bio­lo­gi­scher Me­tho­den un­ter­sucht. Da­bei konn­ten wir nach­wei­sen, dass die An­ae­ro­be Oxi­da­ti­on von Me­than von ei­nem be­son­de­ren mi­kro­bi­el­len Kon­sor­ti­um be­trie­ben wird, das bei 50 °C op­ti­mal ar­bei­tet. So­gar bis 70 °C ist die mi­kro­bi­el­le Ge­mein­schaft noch in der Lage, Me­than zu ver­ar­bei­ten. Aus der Ab­bau­ge­schwin­dig­keit von Me­than (AOM-Rate) konn­ten wir eine Ver­dopp­lungs­zeit der AOM-Or­ga­nis­men von 68 Ta­gen bei 50 °C be­rech­nen.“ Sein Kol­le­ge Gun­ter We­ge­ner er­gänzt: “Dies mag zwar lang­sam er­schei­nen, ist aber für Mi­kro­or­ga­nis­men, die un­ter ex­tre­men Be­din­gun­gen in der Tief­see le­ben, wo sehr lang­sa­me Ver­dopp­lungs­zei­ten von bis zu meh­re­ren hun­dert Jah­ren vor­kom­men kön­nen, be­acht­lich schnell.“

Die jetzt im Gu­ay­mas-Be­cken ent­deck­te AOM-Ge­mein­schaft aus dem be­steht aus ei­ner neu­ar­ti­gen Grup­pe von Me­than-oxi­die­ren­den Ar­chae­en, die nahe mit der be­kann­ten Ar­che­en­grup­pe ANME-1 (AN­ae­ro­be ME­than­ab­bau­er) ver­wandt ist, so­wie Sul­fat-re­du­zie­ren­den Bak­te­ri­en. Die­se ge­hö­ren zu den Del­ta­pro­te­ob­ak­te­ri­en und sind stam­mes­ge­schicht­lich ent­fernt mit Sul­fat­re­du­zie­rern ver­wandt, die in vor­he­ri­gen Un­ter­su­chun­gen als Part­ner von ANME-1-Ar­chae­en iden­ti­fi­ziert wur­den. Die bei­den Part­ner bil­den Ag­gre­ga­te von bis zu meh­re­ren hun­dert Zel­len. Das be­son­de­re bei den Gu­ay­mas-Kon­sor­ti­en ist, dass man­che auch in ei­ner ge­mein­sa­men, ket­ten­för­mi­gen Hül­le zu­sam­men­le­ben. Die­se ket­ten­för­mi­ge Art der Ag­gre­ga­ti­on be­ob­ach­te­ten die For­scher zum ers­ten Mal für AOM-Or­ga­nis­men.
Mikroskopische Aufnahmen der AOM-Konsortien. Die methanoxidierenden Archaeen sind in rot, die sulfatreduzierenden Bakterien in grün dargestellt. Auf der linken Seite sind die neuartigen, kettenförmigen Aggregate zu sehen (© Thomas Holler, Kathrin Knittel).
Die Wis­sen­schaft­ler ha­ben da­mit ge­zeigt, dass die An­ae­ro­be Oxi­da­ti­on von Me­than nicht auf kal­te und ge­mä­ßig­te ma­ri­ne Se­di­men­te be­schränkt ist. Tho­mas Hol­ler sagt: „Bei der AOM und den Fol­ge­re­ak­tio­nen ent­ste­hen aus Me­than un­lös­li­che Car­bo­na­te und Sul­fat wird ver­braucht. Für uns bleibt in­ter­es­sant her­aus­zu­fin­den, wel­chen Bei­trag die­se Kon­sor­ti­en zum glo­ba­len Me­than­ab­bau lie­fern und wel­che Rol­le sie für die geo­lo­gi­sche Ge­steins­bil­dung, bei­spiels­wei­se die Um­bil­dung von An­hy­drit (Ca­SO4) zu Cal­cit (Ca­CO3) spie­len. Da­mit könn­ten wir ihre Funk­ti­on im glo­ba­len Koh­len­stoff­kreis­lauf ge­nau­er be­schrei­ben.“

Rita Dun­ker

Rückfragen an 

Dr. Tho­mas Hol­ler, Tel. +49 (0)421 2028 732, thol­ler@mpi-bre­men.de
Dr. Gun­ter We­ge­ner, Tel. +49 (0)421 2028 867, gwe­ge­ner@
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oder an die Pressesprecher

Dr. Rita Dun­ker, Tel. +49 (0)421 2028 856, rdun­ker@mpi-bre­men.de
Dr. Man­fred Schlös­ser +49 (0)421 2028 704 mschloes@
mpi-bre­men.de

Beteiligte Institute

Max Planck In­sti­tu­te for Ma­ri­ne Mi­cro­bio­lo­gy, Bre­men, Ger­ma­ny

MA­RUM, Cen­ter for Ma­ri­ne En­vi­ron­men­tal Sci­en­ces, Uni­ver­si­ty of Bre­men, Bre­men, Ger­ma­ny

De­part­ment of Ma­ri­ne Sci­en­ces, The Uni­ver­si­ty of North Ca­ro­li­na at Cha­pel Hill, Cha­pel Hill, North Ca­ro­li­na, USA

Al­fred We­ge­ner-In­sti­tu­te for Po­lar and Ma­ri­ne Re­se­arch, Bre­mer­ha­ven, Ger­ma­ny


Originalarbeit

Ther­mo­phi­lic an­ae­ro­bic oxi­da­ti­on of me­tha­ne by ma­ri­ne mi­cro­bi­al con­sor­tia. T. Hol­ler, F. Wid­del, K. Knit­tel, R. Amann, M. Y. Kel­ler­mann, K.-U. Hin­richs, A. Boe­ti­us, and G. We­ge­ner. ISME Jour­nal

DOI: 10.1038/​is­mej.2011.77
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