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07.11.2012 Bre­mer Wis­sen­schaft­le­rIn­nen lüf­ten Rät­sel um den Me­than­ab­bau im Mee­res­bo­den

Mee­res­mi­kro­ben nut­zen Schwe­fel als Zwi­schen­pro­dukt bei der Me­than­oxi­da­ti­on
 
Mi­kro­bio­lo­gen und Geo­che­mi­ker des Max-Planck-In­sti­tuts für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie ha­ben zu­sam­men mit ih­ren Kol­le­gen aus Wien und Mainz ge­zeigt, dass die an­ae­ro­be Me­than­oxi­da­ti­on im Mee­res­bo­den von ei­nem ein­zi­gen Mi­kro­or­ga­nis­mus aus­ge­führt wer­den kann, der zur Do­mä­ne der Ar­chae­en ge­hört. Die an­ae­ro­be Me­than­oxi­da­ti­on ist an Sul­fat­ver­at­mung ge­kop­pelt, die ent­ge­gen frü­he­rer An­nah­men nicht von ei­nem ver­ge­sell­schaf­te­ten Bak­te­ri­um durch­ge­führt wer­den muss. Ihre Ent­de­ckung ver­öf­fent­lich­ten die Wis­sen­schaft­ler als Ar­ti­kel in der re­nom­mier­ten Fach­zeit­schrift Nature.
Die Anreicherungskulturen mit den AOM-Organismen, hier die Archaeen in rot und die Bakterien in grün, stammen ursprünglich vom Schlammvulkan Isis im Mittelmeer. Acht Jahre lang haben die WissenschaftlerInnen die Mikroorganismen in der Probe angereichert. Es hat sich gelohnt: Ohne diese Kulturen wäre es nicht möglich gewesen, den komplizierten Schwefelkreislauf der AOM zu entschlüsseln. (Photo: Jana Milucka)
Gro­ße Men­gen Me­than la­gern un­ter dem Mee­res­bo­den. Die an Sul­fat­ver­at­mung ge­kop­pel­te an­ae­ro­be Oxi­da­ti­on von Me­than (AOM) ver­hin­dert ein Aus­tre­ten des Treib­haus­ga­ses in die At­mo­sphä­re. Ob­wohl der Stoff­wech­sel­pro­zess be­reits vor 35 Jah­ren ent­deckt wur­de, gab die Fra­ge, wie ge­nau die be­tei­lig­ten Mi­kro­ben die­se Re­ak­ti­on durch­füh­ren, lan­ge Rät­sel auf. Vor ei­nem Jahr­zehnt mach­ten Wis­sen­schaft­le­rIn­nen die wich­ti­ge Ent­de­ckung, dass bei der AOM häu­fig zwei ver­schie­de­ne Grup­pen von Mi­kro­or­ga­nis­men ein Kon­sor­ti­um bil­den. Dies führ­te zu der An­nah­me, dass die­se zwei Or­ga­nis­men­grup­pen ver­schie­de­ne Teil­re­ak­tio­nen der AOM-Re­ak­ti­on aus­füh­ren. Dem ei­nen, ei­nem Ar­chaeon, wur­de die Rol­le des Me­than­oxi­die­rers zu­ge­schrie­ben, dem an­de­ren, ei­nem Bak­te­ri­um, die der Sul­fat­ver­at­mung. Da­bei ging man da­von aus, dass ein Zwi­schen­pro­dukt von den me­than­ab­bau­en­den Ar­chae­en zu den sul­fat­ver­at­men­den Bak­te­ri­en über­tra­gen wird.

Nun hat das Team um Pro­fes­sor Mar­cel Kuy­pers die­ses Mo­dell auf den Kopf ge­stellt. Die Wis­sen­schaft­le­rIn­nen konn­ten zei­gen, dass das Ar­chaeon nicht nur Me­than oxi­diert, son­dern auch das Sul­fat ver­braucht und da­bei ohne den bak­te­ri­el­len Part­ner aus­kommt. Al­ler­dings nut­zen sie dazu nicht die En­zy­maus­stat­tung, wie sie an­de­re be­kann­te sul­fat­re­du­zie­ren­de Mi­kro­or­ga­nis­men ha­ben, son­dern ver­mut­lich ei­nen an­de­ren, bis­her un­be­kann­ten Stoff­wech­sel­weg.
Dieses Schema zeigt, wie die methanabbauenden Archaeen (ANME) das Methan verwerten und dabei das Sulfat zu elementarem Schwefel und möglicherweise zu Sulfid umsetzen. Die mit ihnen zusammenlebenden Bakterien (DSS), disproportionieren den Schwefel (Schwefelfermentation). Sie nehmen den produzierten elementaren Schwefel in Form von Disulfid auf und vergären ihn zu Sulfat und Sulfid. Die dunklen Flecken sind in den Bakterien gefundene eisen- und phosphorreiche Ablagerungen. (Quelle: Jana Milucka)
Die Grund­la­ge für die­se ge­dank­li­che Kehrt­wen­de ist die Be­ob­ach­tung, dass ele­men­ta­rer Schwe­fel ge­bil­det wird, den die me­than­ab­bau­en­den Ar­chae­en spei­chern. „Mit chro­ma­to­gra­phi­schen und mo­derns­ten spek­tro­sko­pi­schen Me­tho­den ha­ben wir er­staun­lich hohe Kon­zen­tra­tio­nen an ele­men­ta­rem Schwe­fel in un­se­ren Kul­tu­ren ge­fun­den“, sagt Pro­fes­sor Mar­cel Kuy­pers und fügt hin­zu: „Die Un­ter­su­chun­gen, die wir mit un­se­ren Tech­no­lo­gi­en an ein­zel­nen Zel­len durch­füh­ren kön­nen, ha­ben ge­zeigt, dass der Schwe­fel­ge­halt in den Zel­len der me­than­ab­bau­en­den Ar­chae­en viel hö­her ist als in de­nen der Bak­te­ri­en­zel­len. Un­se­re Ex­pe­ri­men­te zei­gen auch, dass die Ar­chae­en die­sen Schwe­fel durch Sul­fat­ver­at­mung bil­den.“

Wel­che Rol­le spie­len dann die Bak­te­ri­en, wenn die Ar­chae­en so­wohl die Sul­fat­ver­at­mung als auch den Me­than­ab­bau über­neh­men? „Die Bak­te­ri­en le­ben vom ele­men­ta­ren Schwe­fel, den die Ar­chae­en bil­den“, er­klärt Jana Mi­lucka, die Er­st­au­to­rin der Stu­die. „Sie ge­win­nen näm­lich ihre En­er­gie da­durch, dass sie ei­nen Teil des Schwe­fels zu Sul­fat und den an­de­ren zu Sul­fid um­set­zen. Das ist eine Form mi­kro­bi­el­ler Gä­rung, ähn­lich der al­ko­ho­li­schen Gä­rung.“

„Bis­her hat­ten wir kei­ne wirk­lich gute Er­klä­rung für das Vor­kom­men von ele­men­ta­rem Schwe­fel in sau­er­stoff­frei­en Se­di­men­ten“, stellt Ti­mo­thy Fer­de­l­man, Wis­sen­schaft­ler am Max-Planck-In­sti­tut in Bre­men und Ko­au­tor der Ver­öf­fent­li­chung, fest. „Un­se­re Ent­de­ckung lie­fert also nicht nur ei­nen neu­en Me­cha­nis­mus für die Me­than­oxi­da­ti­on, son­dern lässt auch den Koh­len­stoff- und den Schwe­fel­kreis­lauf im me­than­rei­chen Mee­res­se­di­ment in ei­nem neu­en Licht er­schei­nen.“
Ein Teil der Analysen und deren Auswertung fand am NanoSIMS-Spektrometer am Max-Planck-Institut in Bremen statt. Das NanoSIMS ermöglicht es den Wissenschaftlern, die Element- und Isotopenzusammensetzung einzelner mikrobieller Zellen zu messen und zwar mit einer Auflösung von unter einem Mikrometer. Einzelzellanalysen mit NanoSIMS, Raman-Mikrospektroskopie (an der Universität Wien) und Röntgenspektroskopie (Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Mainz) haben den entscheidenden Nachweis zur Physiologie der AOM-Mikroorganismen geliefert. (Photo: Jana Milucka)
Weitere Informationen:
Dr. Jana Mi­lucka, +49 421 2028634, jmi­lucka@mpi-bre­men.de
Prof. Dr. Mar­cel Kuy­pers +49 421 2028602, mkuy­pers@mpi-bre­men.de

Pressesprecher
Dr. Rita Dun­ker, +49 421 2028856, rdun­ker@mpi-bre­men.de
Dr. Man­fred Schloes­ser, +49 421 2028704, mschloes@mpi-bre­men.de

Beteiligte Institute
Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, Bre­men
Al­fred-We­ge­ner-In­sti­tut für Po­lar- und Mee­res­for­schung, Bre­mer­ha­ven
Uni­ver­si­tät Wien, Wien, Öster­reich
Max-Planck-In­sti­tut für Po­ly­mer­for­schung, Mainz

Originalartikel
Ze­ro­va­lent sul­fur is a key in­ter­me­dia­te in ma­ri­ne me­tha­ne oxi­da­ti­on. Jana Mi­lucka, Ti­mo­thy G. Fer­de­l­man, Lub­os Po­le­recky, Da­nie­la Franz­ke, Gun­ter We­ge­ner, Mar­kus Schmid, Ingo Lie­ber­wirth, Mi­cha­el Wag­ner, Fried­rich Wid­del, Mar­cel M. M. Kuy­pers. Na­tu­re, 2012.

Doi: 10.1038/nature11656
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