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28.02.2012 In­trons in bak­te­ri­el­ler 16S rRNA ge­fun­den

Bre­mer Max-Planck-For­scher wei­sen lan­ge Stü­cke nicht­ko­die­ren­der DNA im wich­tigs­ten phy­lo­ge­ne­ti­schen Mar­ker­gen in Bak­te­ri­en nach
 
Das Merk­mal, mit dem die Mi­kro­bio­lo­gen die stam­mes­ge­schicht­li­che Zu­ge­hö­rig­keit von Bak­te­ri­en fest­le­gen, muss be­stimm­te An­sprü­che er­fül­len. Kon­ser­va­tiv in sei­ner Funk­ti­on muss es sein und in al­len Le­be­we­sen vor­kom­men. Die­se An­for­de­run­gen er­füllt in be­son­ders ho­hem Maße ein be­stimm­tes Gen: das Gen für die klei­ne­re der bei­den Un­ter­ein­hei­ten, aus dem die Ri­bo­so­men auf­ge­baut sind, auch be­kannt als 16S rRNA-Gen. Des­halb wird es be­son­ders häu­fig für phy­lo­ge­ne­ti­sche Ana­ly­sen ver­wen­det, mit de­nen die For­scher den Grad der Ver­wandt­schaft bei Mi­kro­ben be­stim­men.

Ve­re­na Sal­man vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men hat nun zu­sam­men mit ih­ren Kol­le­gen die­ses 16S rRNA-Gen ei­ner Bak­te­ri­en­grup­pe, den gro­ßen Schwe­fel­bak­te­ri­en ge­nau­er un­ter­sucht (Ab­bil­dung 1). Sie ha­ben her­aus­ge­fun­den, dass das 16S rRNA-Gen man­cher Ver­tre­ter die­ser Bak­te­ri­en­grup­pe an bis zu vier Stel­len durch lan­ge DNA-Ab­schnit­te un­ter­bro­chen ist (Ab­bil­dung 2). Bei die­sen so ge­nann­ten In­trons han­delt es sich al­ler­dings nicht um Gen­ab­schnit­te, die für die 16S rRNA ko­die­ren: Teil­wei­se be­ste­hen sie ein­fach aus nicht­ko­die­ren­der DNA oder sie tra­gen Gene für be­stimm­te En­zy­me, durch die sich das In­tron in an­de­re Stel­len des Ge­noms aus­brei­ten kann.
Abbildung1: Die Zellen der großen Schwefelbakterien Thiomargarita leben oft in Ketten zusammen. In ihren 16SrRNA-Gen haben die Wissenschaftler vier Introns gefunden. Die Zellen sind mit einem Durchmesser von ca. 200 μm außergewöhnlich groß für Bakterienzellen. Bild: V. Salman
„Die In­trons sind je­weils meh­re­re hun­dert Ba­sen­paa­re lang. Da­durch ver­län­gern sie das 16S rRNA-Gen deut­lich. Wir ha­ben bis zu 3500 Ba­sen­paa­re lan­ge 16S rRNA-Gene ge­fun­den“, sagt Ve­re­na Sal­man. Das nor­ma­le 16S rRNA-Gen ist nur etwa 1500 Ba­sen­paa­re lang. Den For­schern ge­lang jetzt zum ers­ten Mal der Nach­weis die­ser In­trons in dem Mar­ker­gen der bak­te­ri­el­len 16S rRNA. Dies ist er­staun­lich, da die­ses Gen das am häu­figs­ten se­quen­zier­te Gen ist.

Für die Mi­kro­bio­lo­gen hat die Ent­de­ckung der In­trons im 16S rRNA-Gen gra­vie­ren­de Aus­wir­kun­gen. „Bis­her konn­ten wir nur kur­ze Stü­cke der 16S rRNA-Gene der gro­ßen Schwe­fel­bak­te­ri­en aus ei­ner ge­misch­ten Bak­te­ri­en­pro­be se­quen­zie­ren. Nun wis­sen wir war­um: Ihre 16S rRNA-Gene sind län­ger als die an­de­rer Bak­te­ri­en,“ er­klärt Ru­dolf Amann, Di­rek­tor des Max-Planck-In­sti­tuts. „Mi­kro­ben­zel­len, die die­se Va­ri­an­te tra­gen, kön­nen mit den klas­si­schen Nach­weis­me­tho­den nicht ge­fun­den wer­den, weil die kür­ze­ren Se­quen­zen un­gleich stär­ker ins Ge­wicht fal­len.“ Des­halb ge­lang es den Wis­sen­schaft­lern bis­her nicht, das Gen in sei­ner gan­zen Län­ge nach­zu­wei­sen (Ab­bil­dung 3).
Abbildung 2: In der schematischen Darstellung sind die Positionen, an der die Introns auf dem 16S rRNA-Gen liegen, hellgrau markiert. Bevor das fertige Ribosom gebildet wird, werden die Introns herausgeschnitten. Abbildung: V. Salman/R. Dunker
Da das 16S rRNA-Gen eine wich­ti­ge Rol­le bei der stam­mes­ge­schicht­li­chen Ein­ord­nung von Bak­te­ri­en und in Bio­di­ver­si­täts­stu­di­en spielt, hat die Ent­de­ckung der Bre­mer For­scher weit­rei­chen­de Fol­gen. Denn ver­mut­lich gibt es die In­trons auch in den 16S rRNA-Ge­nen an­de­rer Bak­te­ri­en­grup­pen. „Wir ver­su­chen jetzt her­aus­zu­fin­den, wel­che an­de­ren Mi­kro­or­ga­nis­men auch das ver­län­ger­te 16S rRNA-Gen tra­gen,“ so Ve­re­na Sal­man. „Mit dem neu­en Wis­sen wer­den wir eine Stra­te­gie ent­wi­ckeln, um auch die lan­gen 16S rRNA-Se­quen­zen zu be­rück­sich­ti­gen, bei­spiels­wei­se bei Bio­di­ver­si­täts­stu­di­en“.
Für die Bak­te­ri­en ha­ben die In­trons in den 16S rRNA-Ge­nen schein­bar kei­ne Aus­wir­kun­gen. Trotz der lan­gen In­trons bil­den die Zel­len der gro­ßen Schwe­fel­bak­te­ri­en funk­ti­ons­fä­hi­ge Ri­bo­so­men aus. Die In­trons ent­fer­nen sich bei der Ent­ste­hung der Ri­bo­so­men selbst (Ab­bil­dung 2).
Abbildung 3: 16S rRNA-Gene aus einer gemischten Bakterienpopulation können mit den Standardmethoden nur gefunden werden, wenn sie einer bestimmten Größenklasse zugehören. Längere 16S rRNA-Gene, z.B. solche mit Introns, werden bei dieser Standardmethode vernachlässigt und können daher bei regulären Biodiversitätsstudien nicht erfasst werden. Normal lange 16S rRNA-Gene sind schwarz, verlängerte rot markiert. Abbildung: V. Salman/R. Dunker
Rück­fra­gen an

Dr. Ve­re­na Sal­man
Prof. Dr. Hei­de Schulz-Vogt
Prof. Dr. Ru­dolf Amann

Oder an die Pres­se­spre­cher
Dr. Rita Dun­ker
Dr. Man­fred Schlös­ser

Ori­gi­nal­ar­beit

Mul­ti­ple self-spli­cing in­trons in the 16S rRNA ge­nes of gi­ant sul­fur bac­te­ria, 2012. V. Sal­man, R. Amann, D. A. Shub, and H. Schulz-Vogt. Pro­cee­dings of the Na­tio­nal Aca­de­my of Sci­ence, Ear­ly Edi­ti­on.

DOI: 10.1073/​pnas.1120192109

Be­tei­lig­te In­sti­tu­te

Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, Bre­men
Uni­ver­si­ty of Al­ba­ny, Sta­te Uni­ver­si­ty of New York, Al­ba­ny, USA
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