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Braunalgenschleim ist gut fürs Klima

26.12.2022
In Form von Fucoidan könnten Braunalgen jedes Jahr bis zu 550 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen.

Braunalgen nehmen große Mengen Kohlendioxid aus der Luft auf und geben Teile des enthaltenen Kohlenstoffs in Form eines schwer abbaubaren Schleims wieder an die Umwelt ab. Weil dieser Schleim kaum einem Meeresbewohner schmeckt, verschwindet dieser Kohlenstoff so für lange Zeit aus der Atmosphäre. Das zeigt eine Studie von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen. Die Forschenden zeigen, dass insbesondere der Algenschleim namens Fucoidan dafür verantwortlich ist und schätzen, dass Braunalgen so bis zu 550 Millionen Tonnen Kohlendioxid jedes Jahr aus der Luft holen könnten – beinahe die Menge der gesamten jährlichen Treibhausgas-Emissionen Deutschlands.

Blasentang
Blasentang (Fucus vesiculosus) findet man auch an Deutschlands Küsten, etwa auf Helgoland. Die Bremer Forschenden führten ihre Untersuchungen in Finnland durch. © Camilla Gustafsson/Zoologische Station Tvärminne, Finnland

Braunalgen sind wahre Superpflanzen wenn es darum geht, Kohlendioxid aus der Luft aufzunehmen. Sie übertreffen darin sogar die Wälder an Land und spielen deswegen eine entscheidende Rolle für die Atmosphäre und unser Klima. Aber was passiert mit dem Kohlendioxid, nachdem die Algen es aufgenommen haben? Nun berichten Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in den Proceedings der amerikanischen National Academy of Sciences (PNAS), dass die Braunalgen große Mengen an Kohlendioxid langfristig aus dem globalen Kreislauf entfernen und so der Klimaerwärmung entgegenwirken können.

Fucoidan: Die wenigsten mögen Braunalgenschleim

Algen nehmen Kohlendioxid aus der Luft auf und nutzen den darin enthaltenen Kohlenstoff für ihr Wachstum. Bis zu einem Drittel des aufgenommenen Kohlenstoffs geben sie wieder ans Meerwasser ab, beispielsweise in Form zuckerhaltiger Ausscheidungen. Je nachdem, wie diese Ausscheidungen aufgebaut sind, werden sie entweder schnell von anderen Organismen genutzt oder sinken Richtung Meeresgrund.

„Die Ausscheidungen der Braunalgen sind sehr komplex und daher unglaublich kompliziert zu messen“, sagt Erstautor Hagen Buck-Wiese vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. „Es ist uns aber gelungen, eine Methode zu entwickeln, um sie detailliert zu analysieren.“ Die Forschenden nahmen eine Vielzahl verschiedener Substanzen unter die Lupe. Als besonders spannend entpuppte sich dabei das sogenannte Fucoidan. „Fucoidan machte etwa die Hälfte der Ausscheidungen der von uns untersuchten Braunalgenart namens Blasentang aus“, so Buck-Wiese. Zudem ist Fucoidan sehr widerständig. „Das Fucoidan ist so komplex, dass es nur schwer für andere Organismen nutzbar ist. Keiner scheint es zu mögen.“ So kommt es, dass der Kohlenstoff im Fucoidan nicht so schnell wieder in die Atmosphäre gelangt. „Die Braunalgen sind dadurch besonders gute Helfer, um Kohlendioxid langfristig – für Hunderte bis Tausende von Jahren – aus der Atmosphäre zu entfernen.“

Braunalgen könnten fast den gesamten CO2-Ausstoß Deutschlands binden

Braunalgen sind außergewöhnlich produktiv. Es wird geschätzt, dass sie etwa 1 Gigatonne (eine Milliarde Tonnen) Kohlenstoff pro Jahr aus der Luft aufnehmen. Rechnet man nun mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie, ergibt sich, dass dadurch bis zu 0,15 Gigatonnen Kohlenstoff, was 0,55 Gigatonnen Kohlendioxid entspricht, jedes Jahr langfristig durch die Braunalgen gebunden werden. Zum Vergleich: Die jährlichen Treibhausgas-Emissionen Deutschlands belaufen sich laut Umweltbundesamt aktuell auf etwa 0,75 Gigatonnen Kohlendioxid (Schätzung für 2020).

„Was die Sache noch besser macht: Im Fucoidan sind keine Nährstoffe wie beispielsweise Stickstoff enthalten“, erklärt Buck-Wiese weiter. Das Wachstum der Braunalgen wird durch die Kohlenstoffverluste also nicht beeinträchtigt.

Braunalgen
Braunalgen sind insbesondere in gemäßigten und kalten Breiten an felsigen Küsten verbreitet und nehmen dort weltweit große Mengen an Kohlendioxid aus der Luft auf. © Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/Hagen Buck-Wiese

Weitere Arten und Orte

Für die aktuelle Studie konnten Buck-Wiese und seine Kolleginnen und Kollegen aus der MARUM MPG Brückengruppe Marine Glykobiologie, die sowohl am Bremer Max-Planck-Institut als auch am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen angesiedelt ist, ihre Experimente an der Tvärminne Zoological Station in Südfinnland durchführen. „Als nächstes wollen wir schauen, wie es bei anderen Braunalgenarten und an anderen Standorten aussieht“, sagt Buck-Wiese. „Das große Potenzial der Braunalgen für den Klimaschutz gilt es unbedingt weiter zu erforschen und zu nutzen.“

Infobox Braunalgen

Braunalgen gibt es in vielen verschiedenen Formen: Der Seetang, der meterhohe Wälder unter der Wasseroberfläche bildet, gehört ebenso dazu wie der beispielsweise in Helgoland weit verbreitete Knotentang, der durch kugelige Verdickungen an den Blättern auffällt, die der Fortpflanzung dienen. Braunalgen leben bevorzugt in gemäßigten und kalten Meeresregionen und wachsen auf festem Untergrund, beispielsweise Felsen und Steinen. Braunalgen dienen auch als Nahrung (Kombu, Wakame), zur Gewinnung von Geliermitteln (Alginate) und als angebliches Heilmittel. Insgesamt gibt es weltweit zwischen 1500 und 2000 Arten von Braunalgen.

Gegenstand der vorliegenden Studie war der Blasentang Fucus vesiculosus. Er ist in Nord- und Ostsee und im Nordatlantik weit verbreitet. Der Blasentang ist eine mehrjährige Pflanze und wird bis zu 30 Zentimeter lang. Mit einer Haftplatte hält er sich auf Felsen und anderen Unterlagen fest. Seinen Namen hat der Blasentang von den auf diesem Bild gut erkennbaren, markanten kugelförmigen Gasblasen, die für Auftrieb sorgen.

Blasentang
Fucus vesiculosus, der Blasentang. © Hagen Buck-Wiese/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Originalveröffentlichung

Hagen Buck-Wiese, Mona A. Andskog, Nguyen P. Nguyen, Margot Bligh, Eero Asmala, Silvia Vidal-Melgosa, Manuel Liebeke, Camilla Gustafsson, Jan-Hendrik Hehemann (2022): Fucoid brown algae inject fucoidan carbon into the ocean. PNAS (December 2022).

Beteiligte Institutionen

  • Max Planck Institute for Marine Microbiology, 28359 Bremen, Germany
  • University of Bremen, Center for Marine Environmental Sciences, MARUM, 28359 Bremen, Germany
  • Centre for Coastal Biogeochemistry, Southern Cross University, 2480 Lismore, Australia
  • University of Helsinki, Tvärminne Zoological Station, 10900 Hanko, Finland
  • Geological Survey of Finland, Environmental Solutions, 02151 Espoo, Finland

Kontakt

Gruppenleiter

MARUM MPG Brückengruppe Marine Glykobiologie

Dr. Jan-Hendrik Hehemann

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

2126

Telefon: 

+49 421 2028-7360

Dr. Jan-Hendrik Hehemann

Pressereferentin

Pressestelle

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
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