Seitenpfad:

Bak­te­ri­en in Seen kämp­fen ge­gen den Kli­ma­wan­del

13.08.2024

Methanoxidierende Bakterien könnten eine größere Rolle als vermutet dabei spielen, dass klimaschädliches Methan nicht aus Seen freigesetzt wird. Das berichten Forschende aus Bremen und zeigen zudem, wer dahintersteckt und wie das funktioniert.

Probennahme
Probennahme vor dem malerischen Bergpanorama des Zugersees (© Juliane Schötz/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)

Me­than ist ein star­kes Treib­haus­gas, das vie­ler­orts im Meer und in Süß­ge­wäs­sern ent­steht. Vor al­lem Seen set­zen gro­ße Men­gen des kli­ma­schäd­li­chen Ga­ses frei. Zum Glück gibt es aber Mi­kro­or­ga­nis­men, die da­ge­gen­hal­ten: Sie sind im­stan­de, Me­than für ihr Wachs­tum und zur En­er­gie­ge­win­nung zu nut­zen und so zu ver­hin­dern, dass es in die At­mo­sphä­re ge­langt. Die­se Mi­kro­or­ga­nis­men, Me­tha­notro­phe ge­nannt, gel­ten da­her als wich­ti­ger „bio­lo­gi­scher Me­than­fil­ter“.

Die Me­tha­notro­phen um­fas­sen ver­schie­de­ne Grup­pen von Mi­kro­or­ga­nis­men, vie­le Fra­gen über de­ren Le­bens­wei­se sind noch nicht be­ant­wor­tet. Eine Stu­die von For­schen­den des Max-Planck-In­sti­tuts für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men und der Schwei­zer Ea­wag, die nun im Fach­ma­ga­zin Na­tu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons er­schie­nen ist, zeigt die er­staun­li­chen Fä­hig­kei­ten ei­ni­ger die­ser Or­ga­nis­men und ihre bis­lang über­se­he­ne Rol­le für un­ser Kli­ma.

Ae­ro­be Mi­kro­or­ga­nis­men in sau­er­stoff­frei­en Ge­wäs­sern

Für ihre Un­ter­su­chung reis­ten die For­schen­den um Sina Schorn und Jana Mi­lucka vom Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut in die Schweiz zum Zu­ger­see. Die­ser See ist fast 200 Me­ter tief und ab ei­ner Tie­fe von etwa 120 Me­tern dau­er­haft sau­er­stoff­frei. Trotz­dem fin­det man in die­sem sau­er­stoff­frei­en Was­ser so­ge­nann­te ae­ro­be me­than­oxi­die­ren­de Bak­te­ri­en (kurz MOB), die, wie ihr Name schon sagt, ei­gent­lich auf Sau­er­stoff an­ge­wie­sen sind. Ob und wie sie in dem sau­er­stoff­frei­en Was­ser Me­than ab­bau­en kön­nen, war bis heu­te un­klar.

Das Team um Schorn und Mi­lucka woll­te da­her ei­nen ge­naue­ren Blick auf die Ak­ti­vi­tät die­ser Mi­kro­or­ga­nis­men wer­fen. Sie nutz­ten für ihre Stu­die Me­than­mo­le­kü­le (CH4), die mit „schwe­ren“ Koh­len­stoff­ato­men (13C statt 12C) mar­kiert wur­den. Die­ses 13C-mar­kier­te CH4 wur­de Pro­ben mit See­was­ser samt den dar­in le­ben­den Mi­kro­or­ga­nis­men zu­ge­setzt und an­schlie­ßend der Weg des ent­hal­te­nen schwe­ren Koh­len­stoffs in ein­zel­nen Zel­len mit Hil­fe spe­zi­el­ler In­stru­men­te (des so­ge­nann­ten Na­no­SIMS) ver­folgt. So konn­ten die For­schen­den da­bei zu­se­hen, wie die Bak­te­ri­en das Me­than zur En­er­gie­ge­win­nung in das we­ni­ger kli­ma­schäd­li­che Koh­len­di­oxid um­wan­deln. Ein Teil des Koh­len­stoffs wur­de auch di­rekt in die Bak­te­ri­en­zel­len ein­ge­baut. Dar­aus war er­sicht­lich, wel­che Zel­len in der Bak­te­ri­en­ge­mein­schaft ak­tiv wa­ren und wel­che nicht. Mit­tels mo­der­ner Me­tho­den na­mens Me­ta­ge­no­mik und Me­ta­tran­skrip­to­mik un­ter­such­ten sie zu­dem, wel­che Stoff­wech­sel­we­ge die Bak­te­ri­en da­bei be­nutz­ten.

Probennahme
Probennahme vor dem malerischen Bergpanorama des Zugersees (© Juliane Schötz/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)

Nur eine bak­te­ri­el­le Grup­pe ist ohne Sau­er­stoff ak­tiv

„Un­se­re Er­geb­nis­se zei­gen, dass ae­ro­be MOB auch in sau­er­stoff­frei­em Was­ser dau­er­haft ak­tiv sind“, sagt Sina Schorn, die mitt­ler­wei­le an der Uni­ver­si­tät Gö­te­borg forscht. „Al­ler­dings traf das nur auf eine be­stimm­te Grup­pe der MOB zu, gut zu er­ken­nen an ih­rer mar­kan­ten läng­li­chen Zell­form. Zu un­se­rer Über­ra­schung wa­ren die­se Zel­len un­ter oxi­schen und an­oxi­schen Be­din­gun­gen – also mit und ohne Sau­er­stoff – glei­cher­ma­ßen ak­tiv. Wenn wir also in an­oxi­schen Ge­wäs­sern ge­rin­ge­re Ra­ten der Me­than­oxi­da­ti­on mes­sen, liegt das ver­mut­lich dar­an, dass es dort we­ni­ger die­ser be­son­de­ren stäb­chen­fö­mi­gen Zel­len gibt und nicht etwa an ei­ner ge­rin­ge­ren Ak­ti­vi­tät der Bak­te­ri­en.“

Me­ta­bo­li­sche An­pas­sungs­fä­hig­keit ge­gen Me­than­frei­set­zung

Eine wei­te­re Über­ra­schung er­leb­ten die Max-Planck-For­schen­den, als sie sich die Stoff­wech­sel­fä­hig­kei­ten die­ser Bak­te­ri­en­grup­pe ge­nau­er an­sa­hen. „An­hand der vor­han­de­nen Gene konn­ten wir er­ken­nen, wie die Bak­te­ri­en re­agie­ren, wenn der Sau­er­stoff knapp wird“, er­klärt Jana Mi­lucka, die am Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut die For­schungs­grup­pe Treib­haus­ga­se lei­tet. „Da­bei fan­den wir Gene, die für eine spe­zi­el­le Me­than-ba­sier­te Fer­men­ta­ti­on ge­nutzt wer­den.“ Wäh­rend die­ser Pro­zess in MOB im La­bor schon nach­ge­wie­sen wor­den war, wur­de er in der Um­welt noch nicht un­ter­sucht. Au­ßer­dem ent­deck­ten die For­schen­den auch ei­ni­ge Gene für die De­ni­tri­fi­zie­rung, mit­tels de­rer die Bak­te­ri­en wohl Ni­trat statt Sau­er­stoff zur En­er­gie­ge­win­nung nut­zen kön­nen.

Ins­be­son­de­re die Fer­men­ta­ti­on ist da­bei span­nend. „Wenn die MOB auch Fer­men­ta­ti­on be­trei­ben, set­zen sie ver­mut­lich Sub­stan­zen frei, die an­de­re Bak­te­ri­en nut­zen und in ihre Zel­len ein­bau­en kön­nen. So wird der ent­hal­te­ne Koh­len­stoff, der ur­sprüng­lich aus dem kli­ma­schäd­li­chen Me­than stammt, noch län­ger im See zu­rück­ge­hal­ten und ge­langt nicht in die At­mo­sphä­re. Das ist eine bis­her nicht be­rück­sich­tig­te Sen­ke für Me­than­koh­len­stoff in an­oxi­schen Le­bens­räu­men, die wir in un­se­re Be­rech­nun­gen zu­künf­tig mit ein­be­zie­hen müs­sen“, so Mi­lucka.

Mikroskopie
Links: Mikroskopische Visualisierung von MOB (pink) und anderer Mikroorganismen (blau) aus dem Zugersee mittels fluoreszierender Sonden. Rechts: Visualisierung schwerer Kohlenstoffatome (13C) in der Biomasse der MOB als Zeichen von deren Aktivität mittels NanoSIMS. Je wärmer die Farbe, desto mehr 13C wurde in die Bakterienzellen aufgenommen und desto aktiver waren sie. (© Sina Schorn/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie)

Be­deu­ten­de Re­du­zie­rung der Me­than­frei­set­zung, heu­te und in Zu­kunft

Die Bre­mer For­schen­den er­klä­ren hier­mit, wer Me­than in sau­er­stoff­frei­en Le­bens­räu­men ab­baut und wie die­ser Ab­bau von­stat­ten geht. Sie zei­gen, dass me­than­oxi­die­ren­de Bak­te­ri­en über­ra­schend wich­tig da­für sind, dass aus die­sen Le­bens­räu­men we­ni­ger Me­than in die At­mo­sphä­re ent­kommt.

„Me­than ist ein star­kes Treib­haus­gas, das für etwa ein Drit­tel des der­zei­ti­gen glo­ba­len Tem­pe­ra­tur­an­stiegs ver­ant­wort­lich ist“, er­läu­tert Schorn die Be­deu­tung der nun vor­lie­gen­den Er­geb­nis­se. „Die Me­than­oxi­da­ti­on durch Mi­kro­or­ga­nis­men ist die ein­zi­ge bio­lo­gi­sche Sen­ke für Me­than. Ihre Ak­ti­vi­tät ist da­her ent­schei­dend für die Kon­trol­le der Me­tha­n­emis­sio­nen in die At­mo­sphä­re und da­mit für die Re­gu­lie­rung des glo­ba­len Kli­mas. An­ge­sichts der der­zei­ti­gen und vor­her­ge­sag­ten Zu­nah­me von an­oxi­schen Be­din­gun­gen in Seen der ge­mä­ßig­ten Re­gio­nen ist zu er­war­ten, dass die Be­deu­tung der MOB für den Me­than­ab­bau in Seen noch zu­neh­men wird. Un­se­re Er­geb­nis­se deu­ten dar­auf hin, dass die MOB in Zu­kunft ei­nen be­deu­ten­den Bei­trag zur Min­de­rung von Treib­haus­gas­emis­sio­nen und zur Koh­len­stoffspei­che­rung leis­ten wer­den.“

Ori­gi­nal­ver­öf­fent­li­chung

Schorn, S., Graf, J.S., Litt­mann, S., Hach, P.F., La­vik, G., Speth, D.R., Schu­bert, C.J., Kuy­pers, M.M.M., Mi­lucka, J. Per­sis­tent ac­tivi­ty of ae­ro­bic me­tha­ne-oxi­di­zing bac­te­ria in an­oxic lake wa­ters due to me­ta­bo­lic ver­sa­ti­li­ty. Nat Com­mun 15, 5293 (2024).

DOI: 10.1038/s41467-024-49602-5

Be­tei­lig­te In­sti­tu­tio­nen

  • Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Celsiusstraße 1, D-28359 Bremen, Deutschland
  • Eawag, Seestraße 79, CH-6047 Kastanienbaum, Schweiz

Rück­fra­gen bit­te an:

Gruppenleiterin

Forschungsgruppe Treibhausgase

Dr. Jana Milucka

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen
Deutschland

Raum: 

3128

Telefon: 

+49 421 2028-6340

Dr. Jana Milucka

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
 
Back to Top