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04.08.2015 Ge­fähr­li­che Kost: Re­gen­wür­mer schüt­zen sich ge­gen schäd­li­che Pflan­zen­stof­fe

Na­tur­stoff Dri­lo­de­fen­sin hilft jähr­lich Mil­li­ar­den Ton­nen Laub zu zer­set­zen
 
Gefährliche Kost: Regenwürmer schützen sich gegen schädliche Pflanzenstoffe
Naturstoff Drilodefensin hilft jährlich Milliarden Tonnen Laub zu zersetzen


Re­gen­wür­mer kann man fast über­all auf un­se­rer Welt fin­den, vom Kom­post­hau­fen im ei­ge­nen Gar­ten, in Wie­sen- und Feld­bö­den bis hin zu tro­pi­schen Re­gen­wäl­dern. Die wich­tigs­te Auf­ga­be der Re­gen­wür­mer ist die Rück­ge­win­nung von Nähr­stof­fen aus to­tem Pflan­zen­ma­te­ri­al, von dem sie sich er­näh­ren. Jetzt ha­ben For­scher her­aus­ge­fun­den, wie die Wür­mer mit den gif­ti­gen Stof­fen um­ge­hen, die von Pflan­zen als Schutz ge­gen Fraß­fein­de ge­bil­det wer­den. Ihre Er­geb­nis­se pu­bli­zie­ren sie jetzt in der Fach­zeit­schrift Na­tu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons als Re­sul­tat ei­ner in­ter­na­tio­na­len Ko­ope­ra­ti­on zwi­schen dem Im­pe­ri­al Col­le­ge Lon­don, an­de­ren bri­ti­schen In­sti­tu­ten und dem Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men.

Schutz durch besondere Moleküle im Darm

Pflan­zen pro­du­zie­ren so­ge­nann­te Po­ly­phe­n­o­le, die­se wir­ken als An­ti­oxi­dan­ti­en und ge­ben Pflan­zen ihre Far­be. Sie be­hin­dern je­doch die Ver­dau­ungs­pro­zes­se von vie­len Pflan­zen­fres­ser. Die Wis­sen­schaft­ler um Dr. Ma­nu­el Lie­be­ke ha­ben jetzt Mo­le­kü­le (Dri­lo­de­fen­si­ne) im Darm der Wür­mer ent­deckt, die die pflanz­li­chen Ab­wehr­stof­fe in­ak­ti­vie­ren und den Nah­rungs­ver­dau er­mög­li­chen. Re­gen­wür­mer set­zen die­se Dri­lo­de­fen­si­ne als Ge­gen­mit­tel ein um sich zu schüt­zen.

Dr. Lie­be­ke sagt: “Es gibt welt­weit eine Men­ge von die­sen Wirk­stof­fen, weil es sehr vie­le Re­gen­wür­mer gibt, teil­wei­se bis zu 300 pro Qua­drat­me­ter. Die Ge­samt­mas­se der Dri­lo­de­fen­si­ne ist be­trächt­lich, ver­teilt auf die Welt­be­völ­ke­rung un­ge­fähr ein Ki­lo­gramm pro Mensch.“
Die Mo­le­kü­le schei­nen sehr wert­voll für den ein­zel­nen Wurm zu sein, denn die Wür­mer scho­nen ih­ren ei­ge­nen Vor­rat, in­dem sie ein ef­fek­ti­ves Re­cy­cling­s­ys­tem nut­zen und nichts von der Sub­stanz aus­schei­den. Dr. Lie­be­ke und sei­ne Kol­le­gen fan­den her­aus, je mehr Po­ly­phe­n­o­le in der Nah­rung der Wür­mer ste­cken, des­to mehr Dri­lo­de­fen­sin wird im Re­gen­wurm­darm ge­bil­det. Das Schutz­mo­le­kül Dri­lo­de­fen­sin der Wür­mer ar­bei­tet im Prin­zip wie eine Sei­fe. Sie um­hül­len die Nah­rungs­ei­wei­ße und En­zy­me im Wurm­darm und ver­hin­dern das die Po­ly­phe­n­o­le dar­an bin­den kön­nen. Ohne die­sen Schutz wür­den die pflanz­li­chen Po­ly­phe­n­o­le ei­nen Pro­zess star­ten, der den Wurm­darm schä­di­gen wür­de.

Der Nach­weis die­ser Stof­fe im Darm wur­de erst mög­lich durch ein auf Mas­sen­spek­tro­me­trie be­ru­hen­des bild­ge­ben­des Ver­fah­ren (MAL­DI-MS). Ma­nu­el Lie­be­ke konn­te mit die­ser Tech­nik ge­nau ver­fol­gen, in wel­chem Darm­be­reich sich das De­fen­sin an­sam­mel­te. Der Wis­sen­schaft­ler ist in­zwi­schen am Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in der Ab­tei­lung Sym­bio­se tä­tig und forscht nun an ma­ri­nen Wür­mern. Er sagt: „Die­se neue Me­tho­dik der mo­le­ku­la­ren Mi­kro­sko­pie wird un­ser Ver­ständ­nis in der Bio­lo­gie auf vie­len Ebe­nen re­vo­lu­tio­nie­ren. Wir sind nun in der Lage, fast je­des Mo­le­kül in ei­nem Le­be­we­sen wie dem Re­gen­wurm zu lo­ka­li­sie­ren. Und wenn wir wis­sen, wo sich das Mo­le­kül an­rei­chert, hilft es uns da­bei sei­ne mög­li­che Funk­ti­on zu ver­ste­hen.“
Rückfragen an
Dr. Ma­nu­el Lie­be­ke
Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, Cel­si­us­str. 1
D-28359 Bre­men, Te­le­fon:0421 2028 - 825
mlie­be­ke@mpi-bre­men.de

oder an den Pres­se­spre­cher
Dr. Man­fred Schlös­ser
Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, Cel­si­us­str. 1
D-28359 Bre­men, Te­le­fon:0421 2028 - 704
mschloes@mpi-bre­men.de

Beteiligte Institute
De­part­ment of Sur­ge­ry and Can­cer, Imperial College London, Lon­don, UK;
De­part­ment of Ma­te­ri­als, Im­pe­ri­al Col­le­ge Lon­don, UK;
Car­diff School of Bio­sci­en­ces, Car­diff Uni­ver­si­ty, Car­diff, UK;
Bru­ker Dal­to­nik GmbH, Bre­men, Ger­ma­ny;
De­part­ment of Che­mis­try, Che­mis­try Re­se­arch La­bo­ra­to­ry, Uni­ver­si­ty of Ox­ford, Ox­ford, UK
Cent­re for Eco­lo­gy and Hy­dro­lo­gy, Wal­ling­ford, Oxon, UK;
Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, Bre­men


Originalarbeit
Uni­que me­ta­bo­li­tes pro­tect ear­thworms against plant po­ly­phe­nols.
Lie­be­ke, Ma­nu­el; Stritt­mat­ter, Ni­co­le; Fe­arn, Sa­rah; Mor­gan, A John; Kil­le, Pe­ter; Fuch­ser, Jens; Wal­lis, Da­vid, Pal­chy­kov, Vi­ta­lii; Ro­bert­son, Je­re­my; La­hi­ve, Elma; Spur­ge­on, Da­vid J; Mc­Phail, Da­vid; Takáts, Zol­tán; Bun­dy, Ja­cob G
Nature Communications 2015, DOI 10.1038/ncomms8869

Die­se Ar­beit wur­de un­ter­stützt durch das Na­tu­ral En­vi­ron­ment Re­se­arch Coun­cil, UK.
Regenwürmer ziehen Pflanzenteile aktiv in ihre Wohnröhre, lassen sie dort verrotten und verdauen das zerfallene Material. Während sie die Erde durchwühlen, nehmen sie Nährstoffe auf, die von zersetzten Pflanzen und Wurzeln stammen. (Quelle: Manuel Liebeke)
Der Regenwurm als Gestalter des Lebensraums
Welches Ausmaß die Vorliebe von Regenwürmern für Blätter hat, kann man in den Wäldern von Nordamerika beobachten. Hier leben nur die eingewanderten Arten aus Europa, denn die einheimischen hat es in der letzten Eiszeit dahingerafft. Erst seit Kolumbus Zeiten fressen die importierten europäischen Vettern wieder das Bodenlaub und bereiten so den Lebensraum für andere Bodenbewohner. Das betrifft auch Vögel, die dort nisten. (Quelle: Manuel Liebeke)
Verteilung der Drilodefensine im Regenwurm. Die Falschfarbendarstellung zeigt die Ergebnisse der massenspektroskopischen Untersuchen (MALDI-MS) im Querschnitt des Wurms. Der Name der Substanz leiten die Forscher aus der wissenschaftlichen Bezeichnung Megadrile für bodenbewohnende Oligochaeten wie Regenwürmer ab. (Quelle: Manuel Liebeke)
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