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Wis­sens­lü­cke beim Ethan-Ab­bau ge­schlos­sen

28.03.2019
For­scher ent­de­cken ein­zel­li­gen Or­ga­nis­mus, der am Mee­res­bo­den Ethan oxi­diert

 

Ethan ist mit einem Anteil von bis zu zehn Prozent der zweithäufigste Bestandteil von Erdgas und in tiefen Gaslagerstätten im terrestrischen und marinen Bereich weltweit vorhanden. Ungeklärt war bislang, wie Ethan unter sauerstofffreien Bedingungen abgebaut wird. Ein Team von Forschenden des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) hat nun gemeinsam mit Kollegen des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen nach mehr als fünfzehn Jahren Forschungsarbeit dieses Rätsel gelöst.

 

Um ei­nes der Rät­sel des an­ae­ro­ben Ab­baus ge­sät­tig­ter Koh­len­was­ser­stof­fe zu lö­sen, muss­ten die For­scher viel Ge­duld mit­brin­gen. Im Jahr 2002 er­hielt der Mi­kro­bio­lo­ge Dr. Flo­rin Musat, der da­mals am Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie forsch­te, eine Se­di­ment­pro­be, die vom Golf von Me­xi­ko stammt und aus ei­ner na­tür­li­chen Erd­gas­quel­le aus mehr als 500 Me­tern Mee­res­tie­fe ent­nom­men wur­de. Zehn Jah­re lang dau­er­te es, die Zell­kul­tu­ren mit dem Ar­chaeon (Ar­chae­en sind Mi­kro­or­ga­nis­men, die ne­ben den Bak­te­ri­en und den zell­kern­hal­ti­gen Eu­ka­ryo­ten den drit­ten Ast des Baums des Le­bens bil­den) in aus­rei­chend gro­ßen Men­gen zu kul­ti­vie­ren. Die­se Kul­tu­ren bil­de­ten die Ba­sis für bio­che­mi­sche Ex­pe­ri­men­te zur Ent­schlüs­se­lung des En­er­gie­stoff­wech­sels der mi­kro­bio­lo­gi­schen Ge­mein­schaft. Bei sei­nen re­gel­mä­ßi­gen Mes­sun­gen stell­te Musat fest, dass der Mi­kro­or­ga­nis­mus bei Zu­ga­be von Ethan Schwe­fel­was­ser­stoff pro­du­zier­te. „Wir dach­ten da­mals im­mer, dass der Ab­bau von Ethan ana­log zum Ab­bau von Bu­tan oder Pro­pan durch Bak­te­ri­en er­fol­gen müss­te, fan­den da­für aber we­der den Me­cha­nis­mus noch mög­li­che Stoff­wech­sel­pro­duk­te“, sagt Musat.

Um mit de­tail­lier­ten bio­che­mi­schen Ana­ly­sen dem Ge­heim­nis der Ethan­oxi­da­ti­on auf die Spur zu kom­men nutz­te Musat, der seit 2014 am UFZ forscht, die Mög­lich­kei­ten der Tech­no­lo­gie­platt­form Pro­VIS. Das Säch­si­sche Zen­trum zur Vi­sua­li­sie­rung bio­che­mi­scher Pro­zes­se auf zel­lu­lä­rer Ebe­ne kom­bi­niert zahl­rei­che Groß­ge­rä­te und er­mög­licht da­durch eine ef­fek­ti­ve, schnel­le und emp­find­li­che che­mi­sche Ana­ly­tik von bio­lo­gi­schen Ob­jek­ten, Struk­tu­ren und Ober­flä­chen im Na­no­be­reich. So konn­te das Team um Musat mit­hil­fe der Fluo­re­senz­mi­kro­sko­pie bei­spiels­wei­se fest­stel­len, dass der ein­zel­li­ge Or­ga­nis­mus Candidatus Ar­goar­cha­e­um etha­ni­vor­ans mit rund 65 Pro­zent Pro­ben­an­teil die Kul­tur do­mi­niert, wäh­rend zwei sul­fat­re­du­zie­ren­de Del­ta­pro­te­ob­ak­te­ri­en nur et­was mehr als 30 Pro­zent aus­ma­chen. Die Me­ta­bo­li­ten und Pro­te­ine wur­den durch hoch­auf­lö­sen­de Mas­sen­spek­tro­me­trie cha­rak­te­ri­siert so­wie die che­mi­sche Zu­sam­men­set­zung und die räum­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on ein­zel­ner Mi­kro­or­ga­nis­men im Bio­film mit Io­nen­mi­kro­sko­pen und der Na­no­SIMS be­stimmt. Mit die­sen Me­tho­den konn­ten die For­sche­rIn­nen be­wei­sen, dass ein Ar­chaeon für die Oxi­da­ti­on von Ethan zu Koh­len­di­oxid und die be­glei­ten­den Bak­te­ri­en für die Sul­fat­re­duk­ti­on in der mi­kro­bi­el­len Ge­mein­schaft zu­stän­dig sind.

Die kleinen Vesikel zeigen, dass sich Candidatus Argoarchaeum durch Sprossung vermehrt. Die Forscher entdeckten sie mithilfe eines hochauflösenden Heliumionen-Mikroskops. Die Zellen der Archaeen sind mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 500nm sehr klein – ca. ein Hundertstel der Dicke eines menschlichen Haares. ©Matthias Schmidt / UFZ.
Die kleinen Vesikel zeigen, dass sich Candidatus Argoarchaeum durch Sprossung vermehrt. Die Forscher entdeckten sie mithilfe eines hochauflösenden Heliumionen-Mikroskops. Die Zellen der Archaeen sind mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 500nm sehr klein – etwa ein Hundertstel der Dicke eines menschlichen Haares. © Matthias Schmidt / UFZ.

Zu­dem stell­ten sie fest, dass Candidatus Ar­goar­cha­e­um etha­ni­vor­ans bei der Oxi­da­ti­on von Ethan im Un­ter­schied zum Ab­bau­pro­zess von Me­than, Pro­pan oder Bu­tan kei­ne Ag­gre­ga­te mit den Part­nerbak­te­ri­en bil­det. „Das Ar­chaeon und die bei­den Bak­te­ri­en­ar­ten wach­sen als freie Zel­len. Ver­bin­dun­gen wie bei­spiels­wei­se win­zi­ge Mi­kro-Dräh­te, über die Elek­tro­nen flie­ßen kön­nen, feh­len“, sagt Musat. Span­nend bleibt des­halb die Fra­ge, wie Candidatus Ar­goar­cha­e­um etha­ni­vor­ans und die Bak­te­ri­en in­ter­agie­ren. Ana­ly­sen des Me­ta­ge­noms zeig­ten, dass das Ar­chaeon kei­ne be­kann­ten Gene für die Sul­fat­re­duk­ti­on hat. Das heißt, die Elek­tro­nen müs­sen auf die sul­fat­re­du­zie­ren­den Bak­te­ri­en über­tra­gen wer­den. Un­ter­su­chun­gen mit der Na­no­SIMS deu­ten nun dar­auf­hin, dass der Elek­tro­nen­aus­tausch mög­li­cher­wei­se über ei­nen Schwe­fel­kreis­lauf zu­stan­de kommt. „Die Ar­chae­en ge­win­nen En­er­gie durch den Ethan­ab­bau in ei­ner kom­ple­xen Syn­tro­phie (Fress­ge­mein­schaft) mit ih­ren sul­fat­re­du­zie­ren­den Part­nern“, er­klärt Musat sei­ne Theo­rie.

Um das Wachs­tum und die Ver­meh­rung des neu be­schrie­be­nen Ein­zel­lers zu be­schrei­ben, nutz­te das Team um Musat ein He­li­umio­nen­mi­kro­skop. Da­bei ent­deck­ten die For­scher un­ge­wöhn­li­che klei­ne zel­lu­lä­re Vesi­kel. Sie zei­gen, dass sich die Ar­chae­en durch Spros­sung ver­meh­ren, was zu un­ge­wöhn­li­chen klei­nen Clus­tern führt.

Im Ge­nom von Candidatus Ar­goar­cha­e­um etha­ni­vor­ans ha­ben die Wis­sen­schaft­ler alle Gene für eine funk­tio­nel­le Me­thyl-Co­en­zym-M-ähn­li­che Re­duk­ta­se (MCR) nach­ge­wie­sen, die die Schlüs­sel­re­ak­ti­on des an­ae­ro­ben Ethan­ab­baus ka­ta­ly­siert. Mit ei­nem sehr hoch­auf­lö­sen­den Mas­sen­spek­tro­me­ter konn­ten sie schließ­lich den Co-Fak­tor (Ethyl-Co­en­zym-M), Me­ta­bo­li­ten und die not­wen­di­gen Pro­te­ine nach­wei­sen und so­mit den Stoff­wech­sel­weg ent­schlüs­seln.

Bis­lang war die For­schung zum Ethan-Ab­bau in ers­ter Li­nie Grund­la­gen­for­schung. Denkt man je­doch wei­ter, könn­te die Ent­de­ckung der For­scher auch für eine in­dus­tri­el­le An­wen­dung von Nut­zen sein. „Wir ken­nen jetzt die grund­le­gen­den Me­cha­nis­men für den Ab­bau kurz­ket­ti­ger Koh­len­was­ser­stof­fe durch Al­kyl-CoM Re­duk­ta­sen und ge­hen da­von aus, dass die Um­kehr­re­ak­ti­on mög­lich ist. Dar­über könn­ten mit die­sen oder ähn­li­chen Mi­kro­or­ga­nis­men auf bio­syn­the­ti­schen We­gen Koh­len­was­ser­stof­fe pro­du­ziert wer­den“, sagt Musat. Das könn­te der Auf­takt für eine bio­tech­no­lo­gi­sche Pro­duk­ti­on von syn­the­ti­schen Treib­stof­fen sein, zum Bei­spiel die Nut­zung des en­er­gie­rei­chen Bu­tans als Treib­stoff. Es ent­hält mehr En­er­gie pro Li­ter und lässt es sich deut­li­cher ein­fa­cher ver­flüs­si­gen als bei­spiels­wei­se Me­than – ein An­satz, den Musat und sein Team für künf­ti­ge For­schung im Blick ha­ben wer­den.

Die Fluoreszenzmikroskopie zeigt Candidatus Argoarchaeum ethanivorans in lila und die sulfatreduzierenden Bakterien in grün. © Niculina Musat / UFZ
Die Fluoreszenzmikroskopie zeigt Candidatus Argoarchaeum ethanivorans in lila und die sulfatreduzierenden Bakterien in grün. © Niculina Musat / UFZ
Florin Musat an einem hoch auflösenden Massenspektrometer. Mit diesem Gerät konnte er den Stoffwechselweg von Candidatus Argoarchaeum ethanivorans entschlüsseln. ©André Künzelmann / UFZ
Florin Musat an einem hoch auflösenden Massenspektrometer. Mit diesem Gerät konnte er den Stoffwechselweg von Candidatus Argoarchaeum ethanivorans entschlüsseln. © André Künzelmann / UFZ

Das Sächsische Zentrum zur Visualisierung biochemischer Prozesse auf zellulärer Ebene (ProVIS) wurde im Jahr 2015 am UFZ mit einer Förderung von mehr als zwölf Millionen Euro durch Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bund und EU eingerichtet. Die Kombination modernster Geräte ermöglicht es, sowohl einzelne Zellen als auch das Zusammenspiel ganzer Lebensgemeinschaften detailliert zu untersuchen, um sie später für biotechnologische Anwendungen nutzbar zu machen.

 

Basierend auf einer Pressemeldung des UFZ / Susanne Hufe.

Ori­gi­nal­ver­öf­fent­li­chung:

Chen S.C., Musat N., Lech­ten­feld O.J., Pasch­ke H., Schmidt M., Said N., Popp D., Ca­la­b­re­se F., Stry­hanyuk H., Jae­kel U., Zhu Y.G., Joye S.B., Rich­now H.H., Wid­del F., Musat F.: An­ae­ro­bic oxi­da­ti­on of etha­ne by ar­chaea from a ma­ri­ne hy­dro­c­ar­bon seep; Nature, http://dx.doi.org/10.1038/s41586-019-1063-0

Rück­fra­gen bit­te an:

Fachlicher Ansprechpartner:

Dr. Flo­rin Musat

UFZ-De­part­ment Iso­to­pen­bio­geo­che­mie

E-Mail: florin.musat@ufz.de

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
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Dr. Fanni Aspetsberger
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