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Wandlungsfähige Meeresbakterien könnten die Erderwärmung beeinflussen
Die internationale Forschergruppe zeigt, dass die bislang wenig erforschten Nitrococcus-Bakterien auf der ganzen Welt zu finden sind. Außerdem sind diese Bakterien in der Lage, ohne Sauerstoff zu leben, indem sie ihren Stoffwechsel umdrehen, berichten die Forscher. Sie veröffentlichen ihre Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift Science Advances. Die Gruppe besteht aus Forschern des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen, der Universität Southhampton (Großbritannien), Universität Wien (Österreich), Universität Nijmegen (Niederlande) und Universität Hamburg.
Üblicherweise ist Nitrococcus gemeinsam mit einer Handvoll ähnlicher Bakterien dafür zuständig, in den Meeren die Nitratbestände aufzufüllen. Die Bakterien produzieren Nitrat (NO3-) durch die Oxidation von Nitrit (NO2-). Gleichzeitig wandeln sie Kohlendioxid (CO2) in Bausteine ihrer Biomasse um.
Stickstoff (N) ist ein Grundbaustein des Lebens auf unserem Planeten. Er ist unverzichtbar um beispielsweise Proteine und Nukleinsäuren herzustellen. In der Umwelt ist der Stickstoff oft Mangelware. Das Wachstum von Algen, die an der Meeresoberfläche mittels Lichtenergie CO2 in ihre Biomasse einbauen, wird dadurch beschränkt. Die häufigste und stabilste Form, in der Stickstoff Organismen zur Verfügung steht, ist das Nitrat. Dadurch ist die Verfügbarkeit von Nitrat direkt verknüpft mit der Fähigkeit des Ozeans, das Treibhausgas CO2 aufzunehmen und zu speichern.
Während es an der sonnendurchstrahlten Oberfläche des Meeres an Stickstoff mangelt, sammelt er sich in tieferen, dunklen Ozeanregionen in großer Menge an. Verantwortlich dafür sind nitritoxidierende Bakterie wie Nitrococcus. Wenn das Wasser aus der Tiefe durch Strömungen wieder an die Oberfläche gelangt, steht dieses Nitrat den dortigen Algen zur Verfügung – sie können weiter wachsen.
Die Forscher stellten nun fest, dass Nitrococcus – wenn kein Sauerstoff vorhanden ist – seinen Stoffwechsel umkehren kann. Anders als sonst reduziert es dann Nitrat zu Nitrit und weiter zu Lachgas (N2O). Währenddessen setzt es CO2 frei (anstatt es aufzunehmen).
Lachgas ist ein sehr potentes Treibhausgas, es ist etwa 300-mal so klimaschädlich wie CO2. Während lachgasproduzierende Bakterien schon länger bekannt sind, berichten die Forscher nun erstmals von einem nitritoxidierenden Bakterium, dass dieses starke Treibhausgas produziert.
Eine detaillierte Suche in weltweiten Datenbanken zeigte außerdem, dass Nitrococcus auf der ganzen Welt verbreitet ist. Daraus folgt, dass dieses Bakterium auch auf der ganzen Welt Lachgas erzeugen kann. „Die Ozeane erwärmen sich zusehends und enthalten immer weniger Sauerstoff“, erklärt Erstautorin Jessika Füssel. „Mit diesen Eigenschaften könnte Nitrococcus insbesondere in sauerstoffarmen Gewässern an der Kippe stehen und womöglich seine stickstoff-erhaltende Funktion verlieren und stattdessen zusätzlich zum Treibhauseffekt beitragen.“
Die Forscher erlebten noch eine weitere Überraschung: Nitrococcus kann auch Sulfid – eine hochgiftige Verbindung, die für die meisten Lebewesen tödlich ist – in harmlosen Schwefel umwandeln. Diese Fähigkeit von Nitrococcus könnte zu einer „Entgiftung“ sogenannter Todeszonen im Meer beitragen.
“Diese Bakterien wurden bislang nicht im Detail untersucht“, so Füssel. „Wir waren sehr überrascht, dass sie nicht nur weltweit verbreitet und zahlreich sondern auch noch zu solchen Wandlungen ihres Stoffwechsels fähig sind.“
Die Studie wurde von der Max Planck Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, BMBF, dem Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds, dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der niederländischen Organisation for Scientific Research und dem britischen Natural Environmental Research Council gefördert.
Originalveröffentlichung
Adaptability as the key to success for the ubiquitous marine nitrite-oxidizer Nitrococcus
Jessika Füssel, Sebastian Lücker, Pelin Yilmaz, Boris Nowka, Maartje A H J van Kessel, Patric Bourceau, Philipp F Hach, Sten Littmann, Jasmine Berg, Eva Spieck, Holger Daims, Marcel M M Kuypers and Phyllis Lam. Science Advances (1. November 2017)
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