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Überraschung in der Tiefsee: Forschende entdecken Schwammpfade auf dem Meeresboden

26.04.2021

Sie gelten als eine der primitivsten Formen tierischer Lebewesen, denn sie weisen weder Fortbewegungsorgane noch ein Nervensystem auf: Schwämme. Nun hat ein internationales Team um die Tiefseeforscherin Antje Boetius entdeckt, dass Schwämme in der arktischen Tiefsee Spuren am Meeresboden hinterlassen. Sie schließen daraus, dass die Tiere sich aktiv fortbewegen könnten – wenn auch nur mit wenigen Zentimetern pro Jahr. Diese einmaligen Erkenntnisse veröffentlichen sie jetzt in der Zeitschrift Current Biology.

(Quelle: AWI)
(Quelle: AWI)

Die Überraschung war groß, als Forschende sich hochauflösende Aufnahmen vom Meeresgrund der arktischen Tiefsee detailliert anschauten: Pfadähnliche Spuren auf dem Meeresboden endeten dort, wo Schwämme saßen. Die Spuren führten in alle Richtungen, sogar bergauf. „Wir schließen daraus, dass die Schwämme sich aktiv über den Meeresboden bewegt haben könnten und als Ergebnis Ihrer Bewegung Spuren hinterlassen“, berichtet die Schwammforscherin Dr. Teresa Morganti vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. Das sei deshalb besonders spannend, weil die Wissenschaft bisher davon ausgegangen war, dass die meisten Schwämme am Meeresboden festsitzen oder passiv von Meeresströmungen bewegt werden und in der Folge gegebenenfalls Hänge hinab rutschen.

Schwämme hinterlassen Spuren am Meeresboden der Tiefsee. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass die Tiere festsitzen. Die Spuren zu lebenden Schwämmen deuten darauf hin, dass sich die Tiere aktiv bewegen könnten. Die Unterwasseraufnahmen haben Forschende des Alfred-Wegener-Instituts auf einer Polarstern-Expedition in der Arktis mit Hilfe von mit dem OFOBS (Ocean Floor Observation and Bathymetry System) erstellt. (Foto: AWI OFOBS team PS101)
Schwämme hinterlassen Spuren am Meeresboden der Tiefsee. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass die Tiere festsitzen. Die Spuren zu lebenden Schwämmen deuten darauf hin, dass sich die Tiere aktiv bewegen könnten. Die Unterwasseraufnahmen haben Forschende des Alfred-Wegener-Instituts auf einer Polarstern-Expedition in der Arktis mit Hilfe von mit dem OFOBS (Ocean Floor Observation and Bathymetry System) erstellt. (Foto: AWI OFOBS team PS101)

„In der arktischen Tiefsee treten keine starken Strömungen auf, die die vorgefundenen Strukturen am Meeresboden erklären könnten,“ erläutert die Expeditionsleiterin Prof. Dr. Antje Boetius, die mit dem Tiefseebiologen Dr. Autun Purser vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Rahmen der Helmholtz-Max-Planck-Tiefseegruppe zusammenarbeitet. Die jetzt veröffentlichten Aufnahmen entstanden bei 87°N, am etwa 350 Kilometer vom Nordpol entfernten Karasik Seamount mit dem Forschungseisbrecher Polarstern im Jahr 2016 mit einem geschleppten Kamerasystem OFOBS (Ocean Floor Observation and Bathymetry System). „Mit dem OFOBS können wir 3D-Modelle aus der Tiefsee erstellen. Der Gipfel des Seamounts Schwämmen besiedelt. 69 Prozent unserer Bilder wiesen Spuren aus Schwammnadeln auf, von denen viele zu lebenden Tieren führten“, berichtet Autun Purser.

Aus diesen Beobachtungen erwachsen viele Fragen: Warum bewegen sich die Schwämme? Und wie orientieren sie sich? Mögliche Gründe für die Fortbewegung könnten Nahrungssuche, die Vermeidung ungünstiger Umweltbedingungen oder die Verbreitung der Nachkommen sein. Gerade der Nahrungssuche spielt in nährstoffarmen Ökosystemen wie der arktischen Tiefsee eine große Rolle. Dort haben die Schwämme ohnehin eine wichtige Funktion, denn als Filtrierer können sie Partikel und gelöste organische Substanzen verwerten und sind mit Hilfe ihrer bakteriellen Symbionten intensiv am Nährstoffrecycling beteiligt. Außerdem bilden Schwämme mit ihren Strukturen einen Lebensraum für arktische Fische und Garnelen. Den Mechanismen der Fortbewegung müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch noch weiter nachgehen.

 

(Basierend auf einer Pressemeldung des Al­fred-We­ge­ner-In­sti­tuts, Helm­holtz-Zen­trum für Po­lar- und Mee­res­for­schung)

Originalveröffentlichung

Teresa M. Morganti, Autun Purser, Hans Tore Rapp, Christopher R. German, Michael V. Jakuba, Laura Hehemann, Jonas Blendl, Beate M. Slaby, Antje Boetius: In situ observation of sponge trails suggests common sponge locomotion in the deep central Arctic. Current Biology (2021)

DOI: 10.1016/j.cub.2021.03.014

Rückfragen bitte an:

Dr. Teresa Maria Morganti

Tel.: +34(0) 622 920 462 or via Skype @teremo83; E-Mail: [Bitte aktivieren Sie Javascript]

 

Dr. Autun Purser

Tel.: +49(0) 471 4831-1740; E-Mail: [Bitte aktivieren Sie Javascript]

 

Folke Mertens, Pressestelle des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)

Tel.: +49(0) 471 4831-2007; E-Mail: [Bitte aktivieren Sie Javascript]

Pressereferentin

Pressestelle

Dr. Fanni Aspetsberger

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D-28359 Bremen

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