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Ein­fluss von Koh­len­di­oxid-Lecks auf den Mee­res­grund

07.02.2018

Die Speicherung von Kohlendioxid (CO2) tief unter dem Meeresgrund ist eine Möglichkeit, der steigenden CO2-Konzentration in der Atmosphäre entgegenzuwirken. Aber was passiert, wenn solche Speicherstätten undicht werden und CO2 am Meeresboden austritt? Antworten auf diese Frage liefert nun eine Studie, die sich mit der Auswirkung von CO2-Austritten auf die Bewohner sandiger Meeresböden beschäftigt.

Tag für Tag set­zen die Men­schen fast 100 Mil­lio­nen Ton­nen Koh­len­di­oxid (CO2) in die At­mo­sphä­re frei. Eine mög­li­che Maß­nah­me ge­gen die ste­tig stei­gen­den Treib­haus­gas­men­gen ist das so­ge­nann­te CCS (Car­bon cap­tu­re and sto­r­a­ge). Da­bei wird das CO2, am bes­ten di­rekt am Kraft­werk, ein­ge­fan­gen und an­schlie­ßend tief un­ten im Bo­den oder Mee­res­grund ge­la­gert. Die­se Me­tho­de birgt al­ler­dings das Ri­si­ko, dass die La­ger­stät­ten un­dicht wer­den und CO2 aus dem Bo­den in die Um­welt ent­weicht.

Das eu­ro­päi­sche Forschungsprojekt ECO2, ko­or­di­niert vom GEO­MAR Helm­holtz-Zen­trum für Oze­an­for­schung Kiel, wid­met sich der Fra­ge, wie Öko­sys­te­me im Meer auf sol­che CO2-Lecks re­agie­ren. Die Feld­stu­die ei­ner in­ter­na­tio­na­len For­sche­rIn­nen­grup­pe um Mas­si­mi­lia­no Mo­la­ri vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men und Kat­ja Gui­li­ni von der Uni­ver­si­tät Gent in Bel­gi­en, nun ver­öf­fent­licht in Science Advances, zeigt, wie sich ein sol­cher CO2-Aus­tritt auf die Be­woh­ner des Mee­res­bo­dens und ih­ren Le­bens­raum aus­wirkt.

Deutliche Veränderungen bei Algen, Tieren und Mikroorganismen

Für ihre Un­ter­su­chung be­such­ten die For­sche­rIn­nen na­tür­li­che CO2-Quel­len im san­di­gen Mee­res­bo­den vor der Küs­te Si­zi­li­ens. Sie ver­gli­chen das dor­ti­ge Öko­sys­tem mit Stand­or­ten, an de­nen kein Gas aus­tritt. Zu­sätz­lich ver­setz­ten sie Sand zwi­schen Stand­or­ten mit und ohne CO2-Aus­trit­ten, um zu se­hen, wie die Bo­den­be­woh­ner re­agie­ren und in­wie­weit sie sich an­pas­sen kön­nen. Ihr Fa­zit: Er­höh­te Koh­len­di­oxid­wer­te ver­än­dern das Öko­sys­tem mas­siv. „Vie­le der an­säs­si­gen Tie­re wur­den durch das aus­tre­ten­de Koh­len­di­oxid ver­trie­ben“, be­rich­tet Mas­si­mi­lia­no Mo­la­ri. „Auch die Funk­ti­on des Öko­sys­tems war ge­stört – und zwar dau­er­haft. Selbst ein Jahr, nach­dem Se­di­ment von den CO2-Quel­len in nicht-be­ein­fluss­ten Mee­res­bo­den ver­setzt wor­den war, hat­te sich des­sen ty­pi­sche Sand­bo­den­ge­mein­schaft dort nicht ein­ge­stellt.“

Im De­tail be­rich­ten die For­sche­rIn­nen fol­gen­des:

  • Gemeinsam mit den aufsteigenden Gasbläschen werden auch Nährstoffe an die Oberfläche transportiert. Das führte dazu, dass kleinste Algen im Boden um ein Vielfaches besser wuchsen.

  • Die kleinen und größeren Tiere (wirbellose Meio- bis Makrofauna), die im Sand zuhause sind, trifft ein CO2-Leck besonders: Ihre Anzahl und Vielfalt nahm bei steigenden CO2-Werten deutlich ab. Die Biomasse der Tiere sank auf ein Fünftel, obwohl durch die vielen kleinen Algen eigentlich mehr Nahrung vorhanden war.

  • Die Anzahl der Mikroorganismen im Meeresboden blieb trotz des CO2-Anstiegs gleich, aber ihre Zusammensetzung änderte sich substanziell.

  • Die veränderte Lebensgemeinschaft im Sand beeinträchtigt das ganze Ökosystem. Die meisten Bewohner können sich nicht langfristig an die neuen Umweltbedingungen anpassen. Stattdessen besiedeln wenige Arten den Sand, die mit erhöhten CO2-Werten besser klarkommen.

 

Natürliche CO2-Austritte vor der Küste von Panarea, Italien.
Natürliche CO2-Austritte vor der Küste von Panarea, Italien. (© HYDRA/C. Lott)
Der Meeresboden als natürliches Labor: Taucher bei der Arbeit.
Der Meeresboden als natürliches Labor: Taucher bei der Arbeit. (© HYDRA/C. Lott)

„Ein Leck in ei­nem Koh­len­stoffspei­cher un­ter dem Meer ver­än­dert grund­le­gend die Che­mie in san­di­gen Mee­res­bö­den und ver­än­dert in wei­te­rer Fol­ge die Funk­ti­on des gan­zen Öko­sys­tems“, fasst Mo­la­ri zu­sam­men. „Es be­steht also ein be­trächt­li­ches Ri­si­ko, dass ein Koh­len­di­oxid-Leck dem Öko­sys­tem vor Ort scha­det. Den­noch kön­nen sol­che Koh­len­di­oxidspei­cher glo­bal be­trach­tet die Fol­gen des Kli­ma­wan­dels min­dern.“

Ein Taucher transportiert ein Messgerät für die Wasserchemie zum Untersuchungsort.
Ein Taucher transportiert ein Messgerät für die Wasserchemie zum Untersuchungsort. (© HYDRA/C. Lott)

Erstmals ein ganzheitlicher Blick

Die nun vor­lie­gen­de Stu­die zeigt zum ers­ten Mal ei­nen „ganz­heit­li­chen“ Blick auf die Aus­wir­kun­gen stei­gen­der CO2-Kon­zen­tra­tio­nen am Mee­res­bo­den. Sie be­trach­tet so­wohl bio­lo­gi­sche als auch bio­geo­che­mi­sche Pro­zes­se und ver­schie­de­ne Ni­veaus der Nah­rungs­py­ra­mi­de von Mi­kro­ben bis hin zu gro­ßen wir­bel­lo­sen Tie­ren.

Schon jetzt gibt es CCS-An­la­gen, bei­spiels­wei­se vor der nor­we­gi­schen Küs­te. In­ner­halb der Eu­ro­päi­schen Uni­on gilt CCS als eine Schlüs­sel­tech­no­lo­gie zur Ver­min­de­rung von Treib­haus­gas­emis­sio­nen. „Un­se­re Er­geb­nis­se zei­gen deut­lich, dass bei der Stand­ort­wahl und Pla­nung von Koh­len­stoffspei­chern un­ter dem Mee­res­bo­den auch ein ge­nau­er Blick auf die dor­ti­gen Be­woh­ner und ihr Öko­sys­tem ge­wor­fen wer­den muss, um Schä­den zu mi­ni­mie­ren“, be­tont Stu­di­en­lei­te­rin Ant­je Boe­ti­us. „An­de­rer­seits ge­hö­ren zum glo­ba­len Mee­res­schutz auch Maß­nah­men ge­gen die wei­ter­hin ho­hen CO2-Emis­sio­nen.“

 

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen:

Weiterführende Links:

ECO2 - Pro­jekt: www.eco2-project.eu/home.html

Vi­deo: www.youtube.com/watch?v=d1L7ZO-NpHc

Originalveröffentlichungen:

Mas­si­mi­lia­no Mo­la­ri, Kat­ja Gui­li­ni, Chris­ti­an Lott, Mi­ri­am We­ber, Dirk de Beer, Ste­fa­nie Mey­er, Al­ban Ra­met­te, Gun­ter We­ge­ner, Frank Wenz­hö­fer, Da­ni­el Mar­tin, Ta­ma­ra Ci­bic, Cin­zia De Vit­tor, Ann Van­reu­sel, Ant­je Boe­ti­us (2018): CO2 leakage alters biogeochemical and ecological functions of submarine sands. Sci. Adv. 2018. DOI:  10.1126/​sci­adv.aao2040

Beteiligte Institute:

  • HGF-MPG Joint Research Group on Deep Sea Ecology and Technology & Microsensor Group, Max Planck Institute for Marine Microbiology, 28359 Bremen, Germany
  • Marine Biology Research Group, Department of Biology, Ghent University, Ghent, Belgium
  • HYDRA Institute for Marine Sciences, Elba Field Station, Via del Forno 80, 57034 Campo nell’Elba (LI), Italy
  • MARUM - Center for Marine Environmental Sciences, University Bremen, 28359 Bremen, Germany
  • HGF-MPG Joint Research Group on Deep Sea Ecology and Technology, Alfred Wegener Institute for Polar and Marine Research, Bremerhaven, 
Germany
  • Centre d’Estudis Avançats de Blanes (CEAB), Consejo Superior de Investiga- ciones Cientificas (CSIC), Blanes, Girona, Catalunya, Spain
  • Sezione di Oceanografia, Istituto Nazionale di Oceanografia e di Geofisica Sperimentale – OGS, I-34151 Trieste, Italy
 
 

Rück­fra­gen bit­te an:

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
 
 
 
 
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