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Schwe­fel för­dert Koh­len­stoffspei­che­rung im Schwar­zen Meer

16.06.2021

Forschende finden eine neue Erklärung, warum sich organische Verbindungen in sauerstofffreien Meeresgebieten ansammeln.

Das Schwar­ze Meer ist ein un­ge­wöhn­li­ches Ge­wäs­ser: Un­ter­halb von 150 Me­tern Was­ser­tie­fe ent­hält es kei­nen frei­en Sau­er­stoff, hö­he­res Le­ben kann dort nicht exis­tie­ren. Das Bin­nen­meer spei­chert gleich­zei­tig ver­gleichs­wei­se viel or­ga­ni­schen Koh­len­stoff. Eine neue Hy­po­the­se dazu, war­um sich or­ga­ni­sche Ver­bin­dun­gen in den Tie­fen des Schwar­zen Mee­res – und an­de­ren sau­er­stoff­frei­en Ge­wäs­sern – an­rei­chern, stellt ein For­schungs­team um Dr. Gon­za­lo Go­mez-Saez und Dr. Jut­ta Nig­ge­mann von der Brückengruppe für Marine Geochemie des In­sti­tuts für Che­mie und Bio­lo­gie des Mee­res (ICBM) der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg und des Max-Planck-In­sti­tuts für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men nun in der Zeit­schrift Science Advances vor. Dem­nach spie­len Re­ak­tio­nen mit Schwe­fel­was­ser­stoff eine wich­ti­ge Rol­le da­bei, die Koh­len­stoff­ver­bin­dun­gen zu sta­bi­li­sie­ren. „Die­ser Me­cha­nis­mus trägt of­fen­bar dazu bei, dass im Schwar­zen Meer mehr als dop­pelt so viel or­ga­ni­scher Koh­len­stoff im Was­ser vor­han­den ist als in sau­er­stoff­rei­chen Mee­res­ge­bie­ten“, be­rich­tet Nig­ge­mann. "Es könn­te sich um eine ne­ga­ti­ve Rück­kopp­lung im Kli­ma­sys­tem han­deln, die über geo­lo­gi­sche Zeit­räu­me ei­ner Er­wär­mung der Erde ent­ge­gen­wir­ken wür­de."

Im Schwar­zen Meer, des­sen Flä­che fast so groß ist wie Frank­reich, herr­schen seit rund 7.000 Jah­ren Be­din­gun­gen, wie sie heu­te nur in we­ni­gen an­de­ren Mee­res­re­gio­nen der Erde vor­kom­men: Eine sta­bi­le Schich­tung ver­hin­dert weit­ge­hend, dass sich Ober­flä­chen- und Tie­fen­was­ser ver­mi­schen. In den obe­ren 150 Me­tern be­fin­det sich sal­z­ar­mes und sau­er­stoff­rei­ches Was­ser, das über­wie­gend aus Flüs­sen, wie der Do­nau, stammt. Dar­un­ter sam­melt sich schwe­res, salz­rei­ches Was­ser, das über den Bos­po­rus aus dem Mit­tel­meer ins Schwar­ze Meer strömt. „Wenn man Was­ser­pro­ben aus den tie­fe­ren Be­rei­chen des Schwar­zen Mee­res öff­net, fällt man fast um, weil es ex­trem nach fau­len Ei­ern riecht“, be­rich­tet Nig­ge­mann. An der Ober­flä­che deu­te da­ge­gen nichts dar­auf hin, dass das Schwar­ze Meer ein sta­gnie­ren­des Ge­wäs­ser ist, in dem Bak­te­ri­en auf­grund des Sau­er­stoff­man­gels den übel­rie­chen­den Schwe­fel­was­ser­stoff pro­du­zie­ren.

Die­ses re­ak­ti­ons­freu­di­ge Mo­le­kül, so zeigt die neue Stu­die, geht Ver­bin­dun­gen mit Sub­stan­zen aus ei­ner viel­fäl­ti­gen Grup­pe koh­len­stoff­hal­ti­ger Stof­fe ein, die in je­dem Li­ter Meer­was­ser ent­hal­ten sind: dem ge­lös­ten or­ga­ni­schen Ma­te­ri­al (eng­lisch: dis­sol­ved or­ga­nic mat­ter, DOM). Da­bei han­delt es sich um eine kom­ple­xe Mi­schung zahl­lo­ser un­ter­schied­li­cher Mo­le­kü­le. Sie stam­men aus zer­setz­ter or­ga­ni­scher Ma­te­rie oder dem Stoff­wech­sel von Bak­te­ri­en. „Wir konn­ten sehr klar zei­gen, dass Schwe­fel­was­ser­stoff di­rekt im Was­ser mit dem ex­trem ver­dünn­ten or­ga­ni­schen Ma­te­ri­al re­agiert“, be­rich­tet Nig­ge­mann. Die Re­ak­ti­ons­pro­duk­te sind wie­der­um lang­le­bi­ger als die Aus­gangs­stof­fe und rei­chern sich da­her im Was­ser an.

Das Team ver­glich Was­ser­pro­ben von un­ter­schied­li­chen Stel­len in­ner­halb und au­ßer­halb des Schwar­zen Mee­res. An­hand ver­schie­de­ner Un­ter­su­chungs­me­tho­den, un­ter an­de­rem mit dem ul­trahoch­auf­lö­sen­den Mas­sen­spek­tro­me­ter der ICBM-MPI Brü­cken­grup­pe für Ma­ri­ne Geo­che­mie, konn­ten die For­schen­den das ge­lös­te or­ga­ni­sche Ma­te­ri­al ge­nau­er cha­rak­te­ri­sie­ren. Sie stell­ten fest, dass knapp ein Fünf­tel al­ler or­ga­ni­schen Mo­le­kü­le in den sau­er­stoff­frei­en Be­rei­chen des Schwar­zen Mee­res Schwe­fel ent­hiel­ten – deut­lich mehr als in an­de­ren Mee­ren. Zu­dem wies das Team nach, dass ein ho­her An­teil die­ser Ver­bin­dun­gen nur dort vor­kommt. Die Schluss­fol­ge­rung: Die schwe­fel­hal­ti­gen Sub­stan­zen ent­ste­hen neu vor Ort durch che­mi­sche Re­ak­tio­nen im schwe­fel­was­ser­stoff­hal­ti­gen Was­ser.

Probenahmegerät
Probenahmegerät – eine sogenannte CTD-Rosette – zur Gewinnung von Wasserproben in verschiedenen Tiefen. © Nelli Sergeeva

Da das ge­lös­te or­ga­ni­sche Ma­te­ri­al ei­nen ge­wal­ti­gen Koh­len­stoffspei­cher bil­det – in al­len Welt­mee­ren zu­sam­men ist un­ge­fähr ge­nau­so viel Koh­len­stoff ge­löst wie sich in Form von CO2 in der At­mo­sphä­re be­fin­det – ist das Er­geb­nis der ak­tu­el­len Stu­die auch für das Kli­ma von Be­deu­tung: „Das Vo­lu­men sau­er­stoff­frei­er Oze­an­re­gio­nen hat sich von 1960 bis 2010 ver­vier­facht. Da­her könn­te die­ser schwe­fel­ba­sier­te Me­cha­nis­mus zur Spei­che­rung von Koh­len­stoff in Zu­kunft ei­nen Ein­fluss auf die Oze­an­che­mie ha­ben“, so Haupt­au­tor Go­mez-Saez. Un­ter ak­tu­el­len Be­din­gun­gen sei die­se Rück­kopp­lung al­ler­dings zu schwach, um den Kli­ma­wan­del merk­lich zu be­ein­flus­sen. In der geo­lo­gi­schen Ver­gan­gen­heit gab es in­des­sen mehr­fach Pe­ri­oden, in de­nen in ei­nem Groß­teil der Ozea­ne Sau­er­stoff­man­gel herrsch­te. Da­mals könn­te der Ef­fekt dazu bei­ge­tra­gen ha­ben, lang­fris­tig Koh­len­di­oxid aus der At­mo­sphä­re zu ent­fer­nen.

Die Was­ser­pro­ben aus dem Schwar­zen Meer stamm­ten von ei­ner Fahrt des For­schungs­schiffs Ma­ria S. Me­ri­an. An der Stu­die wa­ren ne­ben dem ICBM-Team For­sche­rin­nen und For­scher des Al­fred-We­ge­ner-In­sti­tuts, Helm­holtz Zen­trum für Po­lar- und Mee­res­for­schung (AWI) in Bre­mer­ha­ven und des Max-Planck-In­sti­tuts für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men be­tei­ligt.

Forschungsschiff RV Maria S. Merian
Forschungsschiff RV Maria S. Merian auf Expedition MSM15-1, vor der Abfahrt von Istanbul ins Schwarze Meer. © Felix Janssen

Ori­gi­nal­ver­öf­fent­li­chung

Gon­za­lo V. Go­mez-Saez et al: “Sul­fu­riza­t­i­on of dis­sol­ved or­ga­nic mat­ter in the an­oxic wa­ter co­lumn of the Black Sea”, Sci­ence Ad­van­ces, 7, eab­f6199.

DOI: 10.1126/sciadv.abf6199

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