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Man­gank­nol­len als Brut­stät­te für Tief­see­kra­ken

19.12.2016

Biologen entdecken in mehr als 4000 Metern Tiefe neue Krakenarten, die viele Jahre lang ihr Gelege bewachen und ohne Hartsubstrat wie Manganknollen kaum überleben 
Bremerhaven, 19. Dezember 2016. Manganknollen am Meeresboden des Pazifischen Ozeans sind eine wichtige Brutstätte für Tiefseekraken. Wie ein deutsch-amerikanisches Biologen-Team in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Current Biology berichtet, heften die Kraken ihre Eigelege an Schwämme, welche nur auf den Manganknollen wachsen. Die Forscher hatten die bisher unbe-kannten Krakenarten auf Tauchexpeditionen im Pazifik in einer Tiefe von mehr als 4000 Metern beobachtet – ein neuer Tiefenrekord für diese Kraken. Ihre spezielle Abhängigkeit von Man-ganknollen als Brutstätte belegt, dass einem industriellen Abbau von Wertstoffen in der Tiefsee gründliche Untersuchungen zu den ökologischen Folgen vorausgehen müssen. 

 

Ken­nen Sie Cas­per? Im Fe­bru­ar die­ses Jah­res avan­cier­te der Tief­see­kra­ke (Oc­to­po­da, Un­ter­grup­pe: In­cir­ri­na) in­ner­halb we­ni­ger Tage zum Star in den So­zia­len Me­di­en. Der US-ame­ri­ka­ni­sche Tauch­ro-bo­ter Deep Dis­co­very hat­te den etwa zehn Zen­ti­me­ter klei­nen Mee­res­be­woh­ner vor der ha­waii­ani-schen Ne­cker-In­sel in ei­ner Tie­fe von 4290 Me­tern auf­ge­spürt, ihn aus nächs­ter Nähe ge­filmt und den Clip di­rekt ver­öf­fent­licht.

Die Web­ge­mein­de gab dem na­he­zu durch­sich­ti­gen Kra­ken dann den Na­men Cas­per, in An­leh­nung an das be­kann­te Trick­film-Ge­spenst. Das Vi­deo wur­de hun­dert­tau­send-fach ge­schaut – doch erst jetzt be­rich­ten die For­scher im Fach­ma­ga­zin Cur­rent Bio­lo­gy, welch weit-rei­chen­des Wis­sen über das Le­ben in der Tief­see und über die öko­lo­gi­sche Be­deu­tung von Man­gank­nol­len sie Cas­per und 28 wei­te­ren Tief­see­kra­ken ent­lo­cken konn­ten.

Tiefsee-Krake am Grund des Peru-Beckens, Pazifik. Aufnahme des ROV Kiel6000, entstanden auf der SONNE-Expedition 242. (Foto: ROV-Team, GEOMAR)
Tiefsee-Krake am Grund des Peru-Beckens, Pazifik. Aufnahme des ROV Kiel6000, entstanden auf der SONNE-Expedition 242. (© Foto: ROV-Team, GEOMAR)

Tiefenrekord: Kraken bewachen ihr Gelege in mehr als 4000 Metern Tiefe

Cas­pers Auf­tritt vor der Ka­me­ra in ei­ner Tie­fe von 4290 Me­tern stellt bis heu­te die größ­te Tie­fe dar, in der flos­sen­lo­se Kra­ken je­mals be­ob­ach­tet wur­den. Ein hal­bes Jahr zu­vor hat­ten For­scher des Alf-red-We­ge­ner-In­sti­tu­tes, des GEO­MAR, des Max-Planck-In­sti­tu­tes für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie und des Zen­trums für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten (MA­RUM) im Peru-Be­cken im süd­öst­li­chen Pa­zi­fik wei-tere Tie­re bis­lang un­be­kann­ter Kra­ken­ar­ten in ei­ner Tie­fe von 4120 bis 4197 Me­tern ge­filmt und fo­to­gra­fiert. Die Auf­nah­men der ver­wand­ten Ar­ten ge­lan­gen mit dem Tauch­ro­bo­ter Kiel6000 und ei­nem ge­schlepp­ten Ka­me­ra­sys­tem. „Bis zu die­sen Be­ob­ach­tun­gen wa­ren wir da­von aus­ge­gan­gen, dass die­se Kra­ken nur bis in eine Tie­fe von 2600 Me­tern vor­kom­men. Die jetzt ent­deck­ten Ar­ten aber be­sie­deln viel grö­ße­re Tie­fen“, sagt Er­st­au­tor Dr. Au­tun Purser vom Al­fred-We­ge­ner-In­sti­tut, Helm­holtz-Zen­trum für Po­lar- und Mee­res-for­schung (AWI).

 

Ohne Manganknollen finden die Kraken keinen Laichplatz

Zwei der Kra­ken be­wach­ten ge­ra­de ihr Ge­le­ge, als die For­scher ihre Ka­me­ras auf sie rich­te­ten. „Die­se Tie­re hat­ten ihre Eier in ei­ner Tie­fe von 4000 Me­tern an die Stän­gel ab­ge­stor­be­ner Schwäm­me ge-hef­tet, wel­che wie­der­um auf Man­gank­nol­len ge­wach­sen wa­ren. Die Knol­len dien­ten den Schwäm-men als ein­zi­ger An­ker­punkt auf dem sonst sehr schlam­mi­gen Un­ter­grund. Das heißt, ohne die Man-gank­nol­len hät­ten die Schwäm­me an die­ser Stel­le nicht le­ben kön­nen und ohne Schwäm­me hät­ten die Kra­ken kei­nen Platz für ihr Ge­le­ge ge­fun­den“, er­zählt der AWI-Wis­sen­schaft­ler. 
Hin­zu­kommt: Auch Kra­ken ohne Brut su­chen die Nähe der Man­gank­nol­len und fels­ar­ti­gen Vor­sprün-ge. „Auf den Vi­deo­auf­nah­men ist zu er­ken­nen, dass die Tie­re den Mee­res­bo­den rund um die Knol­len ge­rei­nigt ha­ben. Die­ser Ein­druck ent­steht ver­mut­lich, weil die Tie­re bei der Fut­ter­su­che mit ih­ren Ar­men im Se­di­ment wüh­len“, be­rich­tet Co-Au­tor Henk-Jan Ho­ving vom GEO­MAR Helm­holtz-Zen­trum für Oze­an­for­schung. 
Dass Tief­see­be­woh­ner wie die Kra­ken Man­gank­nol­len in ih­rem Le­bens­raum brau­chen, zeigt das so-ge­nann­te DIS­COL-Ex­pe­ri­ment aus den spä­ten 1980er Jah­ren. Da­mals hat­ten deut­sche For­scher eben-falls im Peru-Be­cken durch Pflü­gen des Mee­res­bo­dens Man­gank­nol­len ent­fernt. In den Fol­ge­jah­ren be­ob­ach­te­ten sie dann, wel­che Fol­gen die­ser mensch­li­che Ein­griff für die Le­bens­ge­mein­schaft der Tief­see hat­te. Die Wis­sen­schaft­ler der Ex­pe­di­ti­on mit dem For­schungs­schiff Son­ne wa­ren nun nach 26 Jah­ren noch ein­mal an die Stel­le des DIS­COL-Ex­pe­ri­men­tes zu­rück­ge­kehrt. Ihr Fa­zit: „Die Ent­nah-me der Man­gank­nol­len führ­te da­mals dazu, dass die Ge­mein­schaft der fest am Bo­den sie­deln­den Tie­re, zu der auch Schwäm­me ge­hö­ren, fast voll­stän­dig zu­sam­men­ge­bro­chen ist. Auch nach 26 Jah-ren ha­ben sich die Be­stän­de gan­zer Tier­grup­pen nicht er­holt“, be­rich­ten die Au­to­ren in der neu­en Stu­die. 
„Un­se­re neu­en Be­ob­ach­tun­gen zei­gen, dass wir das Ver­hal­ten und die spe­zi­el­len An­pas­sun­gen von Tief­see­tie­ren an ih­ren Le­bens­raum ken­nen müs­sen, um nach­hal­ti­ge Schutz- und Nutz­kon­zep­te auf-zu­stel­len“, sagt AWI-For­sche­rin Ant­je Boe­ti­us, Lei­te­rin der Son­ne-Ex­pe­di­ti­on in das Peru-Be­cken. 

Kraken bewachen ihre Brut vermutlich viele Jahre lang
Sie stuft Cas­per und sei­ne Art­ge­nos­sen aus dem Peru-Be­cken als „be­son­ders ge­fähr­det“ ein – un­ter an­de­rem des­halb, weil die Tief­see­kra­ken nur sehr we­ni­ge Eier le­gen und au­ßer­ge­wöhn­lich lan­ge Re­pro­duk­ti­ons­zy­klen ha­ben. For­schungs­er­geb­nis­se zei­gen, dass der Nach­wuchs von Kra­ken, die bei ei­ner Was­ser­tem­pe­ra­tur von drei Grad Cel­si­us lai­chen, erst vier Jah­re nach der Ei­ab­la­ge schlüpft. Am Grund des Peru-Be­ckens aber be­trägt die Was­ser­tem­pe­ra­tur ge­ra­de mal 1,5 Grad Cel­si­us. „Wir ver-mu­ten des­halb, dass die Kra­ken­em­bry­os hier vie­le Jah­re be­nö­ti­gen, um sich voll­stän­dig zu ent­wi-ckeln“, so Ant­je Boe­ti­us. Stö­run­gen wäh­rend die­ser so wich­ti­gen Zeit hät­ten mit gro­ßer Wahr­schein-lich­keit schwer­wie­gen­de Fol­gen für den Kra­ken­nach­wuchs. 
Die in der ak­tu­el­len Stu­die vor­ge­stell­ten Be­ob­ach­tungs­da­ten stam­men aus meh­re­ren Ex­pe­di­tio­nen. Die Auf­nah­men aus dem Peru-Be­cken wur­den im Herbst 2015 wäh­rend ei­ner Fahrt des deut­schen For­schungs­schif­fes Son­ne ge­macht. Die Tauch­gän­ge des Ro­bo­ters Deep Dis­co­very an der ha­waii­ani-schen Ne­cker-In­sel ge­hör­ten zu ei­ner Ex­pe­di­ti­on des US-ame­ri­ka­ni­schen For­schungs­schif­fes Okea­nos Ex­plo­rer und fan­den im Fe­bru­ar 2016 statt. Wei­te­re Be­ob­ach­tun­gen wur­den wäh­rend ei­ner Fahrt des For­schungs­schif­fes Kilo Mo­a­na im Jahr 2011 ge­macht. 
Die For­schungs­ar­bei­ten wur­den fi­nan­ziert durch das EU-Pro­jekt „Ma­na­ging Im­pacts of Deep-seA re­Sour­ce ex­ploi­ta­ti­on (MI­DAS)“. Die Ar­bei­ten von Bord des For­schungs­schif­fes Son­ne er­mög­lich­te das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung im Rah­men des Pro­jek­tes „Mi­ning Im­pact of the Joint Pro­gramming In­i­ta­ti­ve Healthy and Pro­duc­tive Seas and Oce­ans (JPIO)“. 

 

Quelle "ROV-Team, GEO­MAR" und Fo­to­ma­te­ri­al hier: http://multimedia.awi.de/medien/pincollection.jspx?collectionName=%7Bccd28eb5-c63c-2744-ad3d-71bd2c3af630%7D#1481814015981_4

 

 

Hinweise für Redaktionen:
Die Stu­die er­scheint un­ter fol­gen­dem Ti­tel im Fach­jour­nal Cur­rent Bio­lo­gy:
•Au­tun Purser, Yann Mar­con, Henk-Jan T. Ho­ving, Mi­cha­el Ve­c­cio­ne, Uwe Piat­kow­ski, De­bo­rah Ea­son, Hart­mut Bluhm, Ant­je Boe­ti­us: As­so­cia­ti­on of deep-sea in­cir­ra­te oc­to­pods with man­gan crusts and no­du­le fiel­ds in the Pa­ci­fic Oce­an, Cur­rent Bio­lo­gy, De­cem­ber 2016; doi:  
Fo­tos und sehr at­trak­ti­ves Vi­deo­ma­te­ri­al fin­den Sie in der On­line-Ver­si­on die­ser Pres­se­mit­tei­lung un­ter: http://​mul­ti­me­dia.awi.de/​me­di­en/​pin­collec­tion.jspx?collec­tion­Na­me=%7Bc­c­d28e­b5-c63c-2744-ad3d-71b­d2c3af630%7D#1481814015981_4

Ihre wissenschaftlichen Ansprechpartner am Alfred-Wegener-Institut sind:
Dr. Au­tun Purser (Tel: +49 (0)471 4831 - 1740; E-Mail: au­tun.purserawi.de)
Prof. Dr. Ant­je Boe­ti­us (Tel: +49 (0)471 4831 - 2269; E-Mail: Ant­je.Boe­ti­usawi.de)

Ihre An­sprech­part­ne­rin in der Ab­tei­lung Kom­mu­ni­ka­ti­on und Me­di­en ist Sina Lösch­ke (Tel: +49 (0)471 4831 - 2008; E-Mail: me­di­enawi.de).

 

 

Für Rück­fra­gen kon­tak­tie­ren Sie bit­te:

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
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+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
 
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