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31.03.2009 Farbfotografie für Fortgeschrittene – eine neue Spektralanalysemethode geht Einzelzellen und Biofilmen auf den Grund

Untersuchungen am Innenleben einzelner Zellen zerstören diese meist, wenn Zellinhalte entnommen und quantifiziert werden. Bisher waren daher weder wiederholte Messungen noch Studien über zeitliche Veränderungen möglich. Das ändert sich nun – dank einer Entwicklung am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. MOSI, ein neuartiges Farbkamerasystem, erlaubt schnelle, billige und zellschonende Aufnahmen von Zellfarbstoffen und eröffnet dadurch der mikrobiellen Ökologie ganz neue Möglichkeiten.
 

Farbfotografie für Fortgeschrittene – eine neue Spektralanalysemethode geht Einzelzellen und Biofilmen auf den Grund

Es braucht nicht viel mehr als Wasser und Sonnenlicht – und schon bilden sich auf fast allen Oberflächen schleimige Beläge. Grünlich schimmern sie auf Kieseln im Flussbett, bräunlich bedecken sie den Sand am Strand des Wattenmeers, und manchmal blitzen sie dem Badefreudigen schmutzig-rötlich aus der ungeputzten Badewanne entgegen. In jedem Fall handelt es sich um Biofilme – eine dünne Schicht von Mikroorganismen.
Wie sich solche Biofilme bilden, wer sie bevölkert, und wie sie mit ihrer Umwelt in Wechselwirkung stehen, ist nicht einfach zu erforschen. Schließlich sind sie hauchdünn und sehr empfindlich. Ein neues Farbkamerasystem, entwickelt von Forschern am Max-Planck-Insitut für Marine Mikrobiologie in Bremen, erleichtet nun erheblich die Untersuchung der Lebewesen in einem solchen Biofilm. „Das so genannte MOSI-System (kurz für Modular Spectral Imaging) ermöglicht, unterschiedlich gefärbte Regionen in einem Biofilm mit den dort anwesenden Mikroorganismen in Beziehung zu setzen. Zudem können wir besonders interessante Regionen heranzoomen und einzelne, farbgebende Zellen grob identifizieren (Abb. 1)“, erklärt Lubos Polerecky, der das Messsystem entwickelt hat. Mittels einer Spektralabbildung – ähnlich einem normalen Farbbild, jedoch mit 200 anstatt der üblichen drei Farben (s. Hintergrund) – kann die Menge der Farbstoffe in einer einzelnen Zelle bestimmt werden, was wiederum Rückschlüsse auf deren Identität und möglichen Funktion erlaubt. Das neue Gerät und mögliche Anwendungen stellen die Wissenschaftler nun im Fachmagazin „Applied and Environmental Microbiology“ vor.
Die zweite Besonderheit von MOSI: Es ist handlich und eignet sich dadurch auch für den Einsatz außerhalb des Labors. In eine mittelgroße Kiste verpackt, können die einzelnen Bausteine einfach transportiert und jederzeit überall innerhalb von ein bis zwei Stunden aufgebaut werden. Zudem ist MOSI vergleichsweise billig. Neben einer speziellen, so genannten Hyperspektral-Kamera bedarf es lediglich einer beweglichen Plattform und einer Lampe. Für mikroskopische Aufnahmen kann MOSI an ein hochqualitatives Mikroskop gekoppelt werden, wie es an den meisten wissenschaftlichen Einrichtungen vorhanden ist. Die für vollautomatische Messungen und Datenanalyse erforderliche Software schließich wird von den MPI-Forschern frei zur Verfügung gestellt.

Erste Anwendungen

Polerecky und seine Kollegen stellen in der aktuellen Veröffentlichung verschiedene erfolgreiche Anwendungen von MOSI im Bereich der aquatischen mikrobiellen Ökologie vor. Diese decken gleich mehrere Größenordnungen ab – von der Untersuchung des Innenlebens einzelner Zellen bis zu ganzen Biofilmen. So können Forscher Zellen nicht nur identifizieren sondern auch deren Zusammenspiel untereinander und mit Umweltfaktoren wie Licht, Sauerstoff oder Schwefel erforschen. Beispielsweise untersuchten die Wissenschaftler eine mikrobielle Matte aus dem spanischen Chiprana-See, dem einzigen natürlichen dauerhaft hypersalinen (sehr salzigen) See in Westeuropa. Mikrobielle Matten sind Lebensgemeinschaften, die sich üblicherweise aus mehreren Schichten von Mikroorganismen zusammensetzen: „phototrophe“ Organismen, die mittels Lichtenergie Biomasse aus Kohlendioxid bilden, und „heterotrophe“ Organismen, die diese Biomasse wieder abbauen. Geschlossene interne Stoffkreisläufe von Elementen wie Sauerstoff, Kohlenstoff oder Schwefel machen diese Matten zu idealen Modellen für komplexe, lichtgetriebene Ökosysteme. Die Spektralabbildung zeigt deutlich die unterschiedlichen Schichten von Organismen, die durch ihre Zellfarbstoffe (Pigmente) identifiziert werden konnten (Abb. 2). Diese Ergebnisse zeigen eine enge verbindung zwischen den anwesenden Organismengruppen und decken sich darin mit Ergebnissen aus funktionellen Studien solcher Matten.
An Sedimentkernen vom Janssand, einer Sandbank bei Spieker-oog in der deutschen Nordsee, kombinierten die Forscher ihre Spektralanalyse mit Messungen ökologischer Parameter – im vorliegenden Fall der Sauerstoffzehrung. Die Messungen belegen bestehende Vermutungen, dass der Sauerstoffverbrauch in enger Verbindung mit der Diatomeendichte in sauerstoffarmen Sedimentschichten steht.

Zusammenfassung

Herkömmliche Methoden erlauben detaillierte Pigmentuntersuchungen nur auf Kosten der Probe, die bei der Analyse zerstört wird. Zudem erfordern sie erheblich mehr Probenvolumen und mehr oder weniger aufwändige chemische Verfahren zur Pigmentextraktion. MOSI ist ein zerstörungsfreies Messsystem und erlaubt so auch fortlaufende Untersuchungen beispielsweise über die zeitliche Entwicklung eines Biofilms. Zudem beugt das Verfahren Pigmentverlusten vor, wie sie während einer Extraktion zum Teil erheblich sind. Schnell, empfindlich und schonend - eröffnet MOSI neue Möglichkeiten für die Erforschung der räumlichen Zusammensetzung ebenso wie der Funktion und des Zusammenspiels komplexer mikrobieller Gemeinschaften in Abhängigkeit sich verändernder Umweltfaktoren.

Hintergrund: Spektralabbildung

Ein Spektralbild zeigt den Untersuchungsgegenstand in viel mehr als den üblichen drei Grundfarben, die beispielsweise auf einem Foto (Magenta-Gelb-Cyan) oder im Fernseher (Rot-Grün-Blau) zu sehen sind. Die vielen verschiedenen Farben, die ein Gegenstand reflektiert, weiterleitet oder abstrahlt nennt man das Spektrum. Indem man solche Spektra misst und analysiert, erfährt man zahlreiche Details über die Identität und Zusammensetzung eines Gegenstandes. Bisher wird die Spektralabbildung beispielsweise in der Astronomie und (Luftbild-)Fernerkundung oder in der Medizin und Mikrobiologie genutzt. In der Lebensmitteltechnologie hilft sie, frühzeitig Gammelfleisch zu erkennen, und in der Textil- oder Möbelindustrie entlarvt sie Beimischungen unerwünschter Stoffanteile. Das MOSI-System kann durch flexible räumliche Auflösung nun den Umweltmikrobiologen hilfreich zur Seite stehen.

Fanni Aspetsberger
Rückfragen an:

Dr. Lubos Polerecky 0421 2028 834
oder an die Pressesprecher
Dr. Manfred Schlösser 0421 2028 704
Dr. Fanni Aspetsberger 0421 2028 704
Originalartikel:
Modular spectral imaging (MOSI) system for discrimination of pigments in cells and microbial communities. Lubos Polerecky, Andrew Bissett, Mohammad Al-Najjar, Paul Faerber, Harald Osmers, Peter A. Suci, Paul Stoodley and Dirk de Beer. Applied and Environmental Microbiology, Vol. 75, No. 3, p. 758-771, Feb. 2009.
Beteiligte Institute:
Max Planck Institute for Marine Microbiology, Celsiusstrasse 1, 28359 Bremen, Germany
Center for Biofilm Engineering, 366 EPS - P.O. Box 173980, Montana State University-Bozeman, Bozeman, MT 59717-3980, USA
Center for Genomic Sciences, Allegheny-Singer Research Institute, 1107 11th Floor South Tower, 320 East North Avenue, Pittsburgh, PA, 15212-4772, USA
Diese Pressemeldung als pdf:
Link zum Originalartikel:
Polerecky et al., AEM 2009

Abb. 1: Form und Pigmentgehalt der einzelnen Zellen können selbst in einer komplexen Zellmischung – im vorliegenden Beispiel verschiedene Cyanobakterien - gut aufgelöst werden. (rot=Chlorophyll a, grün=Phycocyanin, blau=Phycoerythrin). (Quelle: L. Polerecky, AEM 2009)

Abb. 2: Hypersaline mikrobielle Matte vom Chiprana-See. Schon mit dem freien Auge (D, in Originalfarben) ist eine klare Schichtung zu erkennen (braun/gelb, dunkelgrün, braun/violett), die sich in den Spektralabbildungen (E-G) anhand der Spektren klar zuordnen lässt: die oberen 3 mm sind von Diatomeen dominiert, in 3-6 mm leben v.a. Cyanobakterien, am unteren Rand der Matte finden sich Chloroflexaceae. (Quelle: L. Polerecky, AEM 2009)

Abb. 3: MOSI im Einsatz bei mesoskopischen (links) und mikroskopischen (Mitte und rechts) Untersuchungen. (Quelle: L. Polerecky, AEM 2009)
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